Retail Insights

Hygiene: So schützen Sie Kunden und Mitarbeiter

Der Lebensmittelhandel hat schon wegen der Lebensmittelsicherheit hohe Hygieneanforderungen zu beachten. Grundlage ist das EU-Hygienerecht. Doch das Coronavirus macht die Dringlichkeit von Desinfektion und Hygiene noch deutlicher. Von Wibke Niemeyer und Julia Neumann

Kontaktlos zur Hygiene Quelle: Getty Images

Abstandsregeln einhalten, Glasschutzwände vor den Bedientheken und Kassen, Mund-Nasen-Schutz, bargeldlose Bezahlung, Griffe der Einkaufswagen desinfizieren – all diese Maßnahmen gelten beim Einkauf für Händler und Verbraucher. Doch auch innovative Desinfektionslösungen mit kontaktloser Bedienbarkeit und Entertainmentfaktor sind immer mehr in den Märkten zu finden. Was in den USA und Asien fester Bestandteil des öffentlichen Lebens ist, soll auch in Deutschland normal werden.

Hohe Hygienestandards angepasst

Eine LP-Umfrage unter Händlern hat ergeben, dass die ohnehin schon hohen Hygienestandards durch die Vorgaben von Behörden während der Corona-Pandemie angepasst und größtenteils auf den Kundenbereich erweitert wurden. Alle befragten Unternehmen verwenden eine Glasschutzwand an den Kassen. Kaufland hat ihn zusätzlich vor Leergutautomaten, an den Kundeninformationen und im Zugangsbereich angebracht. Die Märkte aller Unternehmen werden nun häufiger gereinigt, insbesondere auch Kartenlesegeräten, Türgriffe und Theken. Rewe und Co. sind sich einig: „Der Schutz unserer Mitarbeiter und Kunden hat für uns oberste Priorität.“

Supermärkte werden häufiger gereinigt. Quelle: Getty Images

Die Mitarbeiter der befragten Unternehmen sind mit Desinfektionsmittel, Einmalhandschuhen und Masken ausgestattet. Aldi Süd stellt ausgewählten Filialen auch Stoffmasken oder Gesichts-Schutzvisiere zur Verfügung, so das Unternehmen. Rewe Deutschland stattet seine Mitarbeiter auch mit Handcremes aus. Famila lüftet zusätzlich regelmäßig geschlossene Räume.

„Unser größtes Anliegen ist es, unseren Kunden in der aktuellen Zeit ein sicheres Einkaufen zu ermöglichen.“

Prof. Dr. Horst Lang, Leiter Qualitätssicherung Globus

Wenn behördlich vorgegeben, achten die betroffenen Filialen darauf, dass jeder Kunde einen Einkaufswagen nutzt. Um ein zu hohes Kundenaufkommen im Markt zu vermeiden, werde die Zahl der Einkaufswagen und -körbe limitiert, teilen Rewe und Aldi Nord mit. Letzterer stellt für deren Nutzung gelegentlich Einmalhandschuhe zur Verfügung und hat an einigen Standorten elektronische Einlasskontrollen. Aldi Süd hat sie bei der Hälfte seiner Filialen, bei der das Kundenaufkommen höher ist. Desinfektionsmittel steht für die Kunden im Handel kostenlos am Eingang und auf den Kundentoiletten bereit. Bei Kaufland stehen sie zusätzlich im Bereich der Kundeninformationen.

Eine Maßnahme ist die Desinfektion von Einkaufswagen. Quelle: Getty Images

Alle Unternehmen erinnern ihre Kunden visuell an die Maßnahmen. Kaufland und Rewe setzen auch mit Durchsagen auf akustische Signale. Globus hat in seinen Märkten zusätzlich Sicherheitspersonal positioniert. Darüberhinaus hat das Unternehmen seine Verkaufsflächen umgeräumt, um mehr Platz für Kunden zu schaffen.

Bewusster im Handel Acht geben

Andrej Janzen, Geschäftsführer dreier Edeka Adam-Filialen in Melle und Rödinghausen, spricht aus, was viele denken: „Auch jetzt, wo die Gesamtsituation entspannter ist, nehmen wir Hygiene bewusster wahr als vor der Pandemie.“ Das vermehrte Händewaschen und Desinfizieren sorgt für ein beruhigendes Gefühl. Aus diesem Grund hat er seine Filialen am Leergutautomaten, an der Kasse, an der Bedientheke und vor dem Markt mit Desinfektionsspendern ausgerüstet.

„Den Kunden müssten möglichst berührungslose Spender zur Verfügung gestellt werden.“

Marcus Lenz, Vice President Hygiene Solutions bei der Formatec-Gruppe

Das Unternehmen Formatec aus Beckum bietet verschiedene Hygiene- und Desinfektionssysteme für den Lebensmittel Groß- und Einzelhandel, aber auch für die Verpackungsindustrie oder öffentliche Einrichtungen an. Darunter sind auch Spender für kontaktlose Handhygiene.

Desinfektion und Entertainment

Das Startup myhyguard aus dem hessischen Neu-Isenburg denkt das Thema Hygiene noch ein Stück weiter. Warum nicht den Hygienespender für Information, Entertainment oder Werbung nutzen? Seit April 2020 gibt es den Desinfektionsterminal. „Bei der Namensfindung ging es uns darum, dass sich die Begriffe Hygiene und Schutz im Namen wiederspiegeln, aber wir wollten nicht klinisch klingen“, erklärt Geschäftsführer Christoph Fogel.

Der myhyguard im Edeka-Markt Kipping in Bonn | Quelle: Christoph Fogel

Das Gerät aus Edelstahl bietet einen Rundum-Schutz für Händler, Mitarbeiter und Verbraucher. Es ist sensorbasiert und dosiert das Desinfektionsmittel kontaktlos. Für den Entertainmentfaktor sorgen Videos und Animationen, die sich über ein integriertes LCD-Display abspielen lassen.

„Wenn dort tolle Werbung mit einem Händler-Spot zu sehen ist, erzeugt das Aufmerksamkeit beim Kunden.“

Christoph Fogel, Geschäftsführer myhyguard

Auch die Platzierung von Logos auf dem Gerät sei möglich. Während das Gerät ohne digitalen Display sehr schnell geliefert werden kann, „wird die Ausführung mit digitalem Display individuell auf Nachfrage gebaut“, sagt Fogel. So war es auch bei dem Gerät für den Edeka-Markt Kipping in Bonn. „Hier haben wir neben dem Gerät auch die Software geliefert und den Inhalt produziert.“

Doch Christoph Fogel ist nicht der einzige, der mit neuen innovativen Ideen zur Handdesinfektion in den Markt eintritt: „Es ist ein Mitbewerb. Aktuell ist eine extreme Nachfrage nach Desinfektionslösungen in Deutschland da.“

Firmen mit ähnlichen Produkten

  • Harema: Das Unternehmen aus dem hessischen Rodgau hat die Desinfektionssäule Desi Standart entwickelt. Auch hier tanken Kunden Hygiene ohne Handkontakt.
  • Wessamat: Der Hersteller von Eisbereitungsmaschinen aus Kaiserslautern hat zwei neue Desinfektionssäulen entwickelt. Während sich der Desicare Switch einfach mit dem Fuß bedienen lässt, ist der Desicare Motion sensorgesteuert.
  • Durable: Das Unternehmen für Bürobedarf aus Iserlohn produziert Desinfektionsmittelspender aus Stahlblech und Aluminium für den Theken- oder Kassenbereich. Diese lassen sich an die Wand hängen oder auf den Boden stellen. Die Größe des Flaschenfachs ist variabel. Den Bodenständer gibt es mit oder ohne integrierte Infotafel.
  • Kimberly-Clark Professionals: Mit unterschiedlichen Wischtüchern und passenden (berührungslosen) Spendern bietet der Hygieneartikelhersteller Lösungen zur Reinigung von Oberflächen wie Kassenbändern, Einkaufswagengriffen, Pfandautomaten oder auch (Frische-) Theken an. Gleiches gilt für Handhygiene-Lösungen, die an unterschiedlichen Orten einsetzbar sind.

Oft handelt es sich bei den Desinfektionsmittelbehältern um Pumpspender. Rewe hat in einzelnen Filialen Desinfektionssäulen platziert. Doch die Lieferketten für die gängigen Eurospender haben während der Krise vorübergehend nicht funktioniert, weil sie nicht lieferbar waren. In der Hochphase des Lockdowns im März und April dieses Jahres war es auch für viele Händler nur sehr schwer möglich, an die benötigten Mengen Desinfektionsmittel zu gelangen.

„Nach unseren Berechnungen werden im deutschen LEH pro Verkaufstag insgesamt mehr als 14.000 Liter Desinfektionsmittel benötigt, um die Hygieneauflagen erfüllen zu können“, teilt Christian Böttcher, Sprecher des Bundesverbandes des Deutschen Lebensmittelhandels, mit.

Infektionsschutz am Arbeitsplatz

Die LP-Umfrage hat gezeigt, dass der Handel mit verschiedenen Hygienemaßnahmen für den Schutz von Mitarbeitern, Kunden und Dienstleistern sorgt. Die Initiative „Infektionsschutzhelfer gegen Covid-19“ bietet neben einer Online-Ausbildung zum Infektionsschutzhelfer, eine kostenlose Gefährdungsbeurteilung nach dem SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard für Unternehmen an.

Aus dem Gesetz:
Laut Paragraf 5 des Arbeitsschutzgesetzes sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen, konkrete Maßnahmen zum Arbeitsschutz zu erarbeiten und diese umzusetzen.