Sie sehen fast genauso aus wie Wurst, Schnitzel und Frikadellen, sind aber vegetarisch. Wissenswertes über die Inhaltsstoffe von vegetarischen Wurst- und Fleischalternativen, wie man die Produkte professionell vermarktet und welche Verzehrmöglichkeiten es gibt. Hedda Thielking
Wer isst Veggie-Wurst & Co.?
Vegetarische Fleisch- und Wurstalternativen werden immer beliebter. Doch wer kauft diese Produkte? Sind es nur Vegetarier und Veganer? Weit gefehlt.
Veggie-Boom
160 Millionen Euro setzte der LEH laut Nielsen im Jahr 2016 insgesamt mit vegetarischen Wurstalternativen um. (Discounter plus 40 Prozent, Supermärkte plus bis zu 17 Prozent).
Dass immer mehr Verbraucher auf Fleisch und Wurst verzichten bzw. ihren Fleischkonsum einschränken, könnte so manchen Hersteller und Händler ins Grübeln bringen – sinken doch die Absatzchancen für ihre fleischhaltigen Produkte. Nicht verzweifeln müssen diejenigen, die mit dem Trend gehen und auch vegetarische Fleisch- und Wurstalternativen anbieten, also z. B. vegetarische Mortadella und Salami oder vegetarische Schnitzel, Frikadellen und Nuggets. Wichtig ist, dass man weiß, wie die Kunden ticken, damit man das Sortiment entsprechend gestalten kann. In Deutschland leben rund 7,75 Mio. Vegetarier. Damit verzichten hierzulande 10 Prozent der Menschen auf Fleisch, Wurst und Lebensmittel, die daraus hergestellt werden. Hinzu kommen rund 1,3 Mio. Veganer, die ausschließlich pflanzliche Produkte essen. Die eigentliche Zielgruppe für vegetarische Fleisch- und Wurstalternativen sind aber die Flexitarier, also Verbraucher, die bewusst weniger, aber dafür qualitativ hochwertiges Fleisch essen.
Flexitarier sind „die“ Zielgruppe
So hat die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) herausgefunden, dass die Anzahl der Flexitarier in den vergangenen Jahren rasant gestiegen ist. Gut ein Drittel der Haushalte in Deutschland (37 Prozent) rechnet sich zu dieser Gruppe. Im Vergleich: Der Anteil der Haushalte, in denen sich mindestens ein Vegetarier lebt, beträgt 5 Prozent. Die GfK stellt zudem fest: Flexitarier haben im Jahreszeitraum (MAT 03/2016) 20 Prozent weniger Fleisch und 18 Prozent weniger Wurst gekauft, aber fast viermal so viel Fleischersatzprodukte wie Nicht-Flexitarier. Sie sind – mehr noch als die Vegetarier – die eigentlichen Träger des Veggie-Booms in Deutschland, auch wenn die Vegetarier pro Haushalt deutlich mehr für diese Lebensmittel ausgeben. Diesen Trend sollten Händler nicht verschlafen.
Im Alter mehr Flexitarier
Laut GfK steigt der Anteil der Flexitarier-Haushalte mit zunehmendem Alter. Er ist bei den über 70-Jährigen fast doppelt so hoch wie bei den unter 40-Jährigen. Mit den Vegetarier-Haushalten verhält es sich genau umgekehrt: Ihre Zahl ist in den jüngeren Haushalten doppelt bis dreimal so hoch wie in den älteren.
Geschnitten und am Stück
Rein äußerlich sind vegetarische Fleisch- und Wurstprodukte kaum von den „Originalen“ zu unterscheiden. Doch was steckt drin, wenn kein Fleisch?
Längst haben nicht nur Wurst- und Fleischwarenhersteller, sondern auch Hersteller aus der Naturkost- und Biobranche auf den VeggieBoom reagiert und bieten vegetarische Wurst- und Fleischalternativen an. Schließlich möchten sie sich von dem Erfolg eine dicke Scheibe abschneiden. Die Hersteller versuchen in der Regel, dass diese Produkte eine möglichst fleisch- und wurstähnliche Konsistenz, Textur und Geschmack haben. Doch wie gelingt das? Es gibt unterschiedliche Rohstoffe, die den „Grundstoff“ für Wurst- und Fleischalternativen bilden. Meistens handelt es sich um Eiweiße (=Proteine), die aus pflanzlichen, teilweise auch aus tierischen Rohstoffen gewonnen werden. Im Folgenden stellen wir beispielhaft einige vor:
Die Sojabohne ist eine eiweißreiche Hülsenfrucht. Sie wird z. B. in Form von Tofu oder Sojagranulat verwendet.
Tofu wird aus eingeweichten Sojabohnen hergestellt, die mit Wasser zu einem feinen Püree verarbeitet werden. Die Masse wird anschließend filtriert. Dabei werden die festen Faserbestandteile vom flüssigen Anteil getrennt. Durch die Zugabe von natürlichen Gerinnungsmitteln bringt man den flüssigen Anteil zum Stocken. Das so entstandene Soja-Eiweiß wird dann zu Tofu-Blöcken gepresst und pasteurisiert. Tofu kommt z. B. für vegetarisches Geschnetzeltes oder in Würstchenform zum Einsatz.
Sojagranulat ist ein extrudiertes Sojaprodukt, auch Sojafleisch genannt. Hierfür werden Sojabohnen gemahlen und mechanisch in mehreren Gängen ausgepresst. Das entfettete Sojamehl wird dann in einem Extruder zu seiner fleischähnlichen Form und Beschaffenheit verarbeitet. Diese Alternative eignet sich vor allem für vegetarische Burger, Hackbällchen, Hacksteaks, Sauce Bolognese und Chili sin Carne.
Seitan (Weizeneiweiß) verfügt über eine besonders fleischähnliche Konsistenz, es lässt sich gut würzen und zubereiten. Bei der Herstellung wird Weizenmehl mit Wasser zu einem Teig verarbeitet und nach einer Ruhezeit durch Kneten unter Wasser ausgewaschen. Dadurch wird auch ein großer Teil der Stärke ausgewaschen. Zurück bleibt eine zähe, eiweißreiche Masse. Die fleischartige Konsistenz und den Geschmack erhält Seitan durch Kochen oder Dampfgaren der Rohmasse in einer würzigen Marinade. Seitan lässt sich z. B. zu Aufschnitt, Bratwurst oder Schnitzeln verarbeiten.
Gluten (Weizeneiweiß), auch „Klebereiweiß” genannt, kommt grundsätzlich in verschiedenen Getreidearten vor und ist in Backwaren vor allem für die Backeigenschaften verantwortlich. Bei der Herstellung von Lebensmitteln erfüllt es auch andere Zwecke: Es emulgiert, geliert, bindet Wasser, stabilisiert Mischungen und ist ein guter Träger für Aromen.
Gluten?
Soja, Lupinen, Erbsen, Reis und Kartoffeln enthalten im Gegensatz zu getreidehaltigen Rohstoffen wie Gluten (Weizeneiweiß) von Natur aus kein Gluten.
Die Lupine (Lupineneiweiß) ist ebenso wie die Sojabohne eine eiweißreiche Hülsenfrucht. Ihr Anbau gilt als besonders nachhaltig und sie kann problemlos in Deutschland angebaut werden. Die Lupine enthält alle lebensnotwendigen Aminosäuren (Eiweißbausteine). Lupineneiweiß kann z. B. in Schnitzeln, Gyros oder Würstchen verarbeitet werden.
Erbseneiweiß wird aus gelben Erbsen gewonnen. Diese werden gereinigt, zu Mehl gemahlen und der Eiweißanteil anschließend abgetrennt. Man findet es z. B. in mancher vegetarischen Fleischwurst.
Quorn wird aus fermentierten Schimmelpilzkulturen hergestellt. Dabei entsteht ein Pilzeiweiß (Mycoprotein), das hellem Fleisch sehr ähnelt. Es kommt z. B. als protein- und ballaststoffreiche Fleischalternative zum Einsatz. Es wird mit Trockeneiweiß aus Hühnereiern, Fetten und weiteren Zutaten z. B. zu vegetarischen Schnitzeln verarbeitet. Quorn ist übrigens keine Produktbezeichnung, sondern ein Markenname. Hinzu kommen weitere pflanzliche Rohstoffe wie Kartoffelprotein und Reisprotein.
Grundstoffe tierischer Herkunft
Hühnereiweiß: Bei der Herstellung von Lebensmitteln wird Eiklar von Hühnereiern wird in der Regel in getrocknetem Zustand verwendet, unter anderem als Basis für Emulsionen – damit sich Wasser und Fett besser miteinander verbinden. Außerdem sorgt es für ein angenehmes Mundgefühl und eine gute Textur (z. B. Härte oder Klebrigkeit) der Produkte. Je nach Hersteller wird Hühnereiweiß für vegetarische Schinkenwurst und vegetarische Frikadellen verwendet.
Milcheiweiß: Vegetarische Schnitzel und Nuggets können auch auf Basis von Milcheiweiß und Pflanzenfasern produziert werden. Die Herstellung beginnt ähnlich wie bei der Käseproduktion, indem Molke und Milchbruch voneinander getrennt werden. Zu dem eiweißhaltigen Milchbruch werden Pflanzenfasern hinzugefügt. Sie verleihen den Produkten die fleischartige Struktur. Diese sogenannte Milchschnitzelfaser wird mit Gewürzen und Kräutern zu einem Teig verarbeitet, ausgewalzt, geformt, paniert und gegart.
Weitere Zutaten und Zusatzstoffe
Außer diesen pflanzlichen und tierischen „Grundstoffen“ sorgen weitere Zutaten für die gewünschte Konsistenz, die Optik und den Geschmack, z. B.: Rapsöl wird für zahlreiche vegetarische Fleisch- und Wurstalternativen verwendet. Es ist reich an einfach ungesättigten und mehrfach ungesättigten Fettsäuren – das sind wichtige Bestandteile einer ausgewogenen Ernährung. Sojaprotein-Konzentrat dient als Wasser- und Fettbindemittel. Bei dem aus der Sojabohne gewonnenen Sojaprotein-Isolat handelt es sich um ein getrocknetes, flockiges Eiweiß-Konzentrat, es dient als Emulgator, z. B. in vegetarischen Frikadellen. Ganz ohne Zusatzstoffe kommen vegetarische Fleisch- und Wurstalternativen in der Regel nicht aus. So enthalten einige vegetarische Würste zusätzlich Verdickungsmittel (z. B. Carrageen, Guarkernmehl, Johannisbrotkernmehl), damit man die Würste besser schneiden kann. Säureregulatoren (Kaliumlactat, Natriumacetate) erhöhen die Haltbarkeit und Farbstoffe (z. B. Beta-Carotin) geben den Ersatzprodukten die wurst- bzw. fleischähnliche Farbe. Aromen verleihen Lebensmitteln zusätzlich einen besonderen (Fleisch-)Geruch oder Geschmack.
Herstellung
In unserem Beispiel unterscheiden sich die Herstellungsschritte kaum von denen aus der klassischen Wurstproduktion. Größtenteils werden auch die gleichen Arten von Maschinen genutzt: Bei dem vegetarischem Schinken Spicker geht es so: Die Zutaten werden in einem Kutter gemischt. Die Masse – das vegetarische „Brät“ – wird in Kunstdärme gefüllt. Anschließend wird die vegetarische Wurst gebrüht, aufgeschnitten und verpackt. Für vegetarische Frikadellen werden pflanzliche Proteinquellen wie Weizengluten vorbereitet. Auch die weiteren Zutaten werden zu einer cremig-viskosen Masse bereitet. Anschließend wird alles zusammen in einem Kutter gemischt und gewürzt. Danach wird die Masse zu Frikadellen geformt, gebräunt, gegart und verpackt.
Richtiger Produktname?
Viele vegetarische Fleisch- und Wurstalternativen heißen z. B. Vegetarische Salami oder vegetarische Frikadellen. Ist das erlaubt? Rechtlich gesehen gibt es hierfür lediglich die Vorgabe, dass Produktbezeichnungen nicht irreführend sein dürfen (EU-Lebensmittelinformationsverordnung 1169/2011). So ist der Begriff „Wurst“ in der Produktbezeichnung von vegetarischen Ersatzprodukten erlaubt, da die Bezeichnungen Wurst oder Schnitzel – anders als es bei Milch oder Käse der Fall ist – rechtlich nicht geschützt sind. Vegetarische und vegane Wurstalternativen dürfen somit als vegetarische „Salami“ und vegetarische „Fleischwurst“ gekennzeichnet sein. Zusätze wie „vegetarisch“ oder „vegan“ im Titel lassen den Verbraucher erkennen, dass es sich nicht um ein Fleisch- oder Wurstprodukt handelt. Ob das so bleibt, ist fraglich. Die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission (DLMBK) hat einen Fachausschuss eingesetzt, der einen produktgruppenübergreifenden Leitsatz für vegetarische Produkte erarbeitet. Eine Frage ist z. B., ob diese Bezeichnungen weiter zugelassen sind. Die DLMBK ist am Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) angesiedelt, entscheidet aber formal gesehen unabhängig.
Siegel und Label
Verbraucher erkennen vegetarische Produkte oft an einem Siegel beziehungsweise Label. Nur: Es gibt viele verschiedene Siegel, die wiederum unterschiedlichen Anforderungen genügen müssen. Manche Hersteller nutzen auch eigene Siegel. Diese bieten jedoch keine Transparenz, da jedes Unternehmen selbst bestimmen kann, was es unter diesen Begriffen versteht.
Das V-Label: EU-weit einheitliche Anforderungen an vegetarische und vegane Lebensmittel gibt es für Produkte mit dem V-Label. Der VEBU (Vegetarierbund Deutschland e.V.) übernimmt die Vergabe des V-Labels in Deutschland. Vegane Lebensmittel mit dem V-Label dürfen z. B. keine Farb- und Aromastoffe mit Substanzen tierischer Herkunft enthalten.
Wo platzieren?
Wohin gehören vegetarische Wurst- und Fleischprodukte im Markt? Beispiele aus der Praxis.
Vegetarischer Brotbelag, Schnitzel und Snacks gehören in der Regel ins Kühlregal. Hier gibt es verschiedene Platzierungsmöglichkeiten:
Die meisten Märkte platzieren die vegetarischen Alternativen als eigenen Block im SB-Regal neben der SB Wurst bzw. zwischen SB Wurst und Convenience-Produkten. Die Vorteile: Hier können z. B. Cross-Promotions leichter umgesetzt werden. Zusätzlich werden die Kunden dazu animiert, etwas Neues auszuprobieren.
Für eine Platzierung unmittelbar neben normaler Wurst spricht, dass sich die meisten Kunden nach Verwendungsanlässen im Markt und auch am Regal orientieren.
Eine weitere Variante ist die Platzierung im Bereich Obst & Gemüse. Hierfür sprechen die Zielgruppe der Veganer und Vegetarier sowie die hohe Kundenfrequenz in diesem Bereich. In jedem Fall ist es wichtig, dass der Verbraucher von weitem das Veggie-Regal sieht. Das gelingt mit Hinweisschildern über dem Regal oder Regalfahnen zur Abgrenzung des Sortiments. Innerhalb des Regals platziert man die Produkte aufgeteilt nach Verwendungszweck. In Kundenlaufrichtung macht Brotbelag den Anfang. Es folgen die vegetarischen Snacks, danach Fischersatz und Teilkomponenten wie Bolognese. Vegetarische Fertiggerichte beenden das Veggie-Regal.
Verkauf ankurbeln
Marktexperten wissen, dass die meisten Kunden noch nie vegetarische Wurst- und Fleischprodukte gegessen haben. Das lässt sich ändern –mit Verkostungsaktionen. Cross-Promotions sowie Zweitplatzierungen können den Verkauf zusätzlich ankurbeln. Des Weiteren sollte man auf saisonale Gegebenheiten achten. So können Händler zur Grillsaison auch vegetarische Würstchen und Hamburger in Szene setzen. Auch Verbundplatzierungen z. B. von Vegetarischer Wurst mit Brot, Senf, sauren Gurken oder vegetarische Snacks mit Dips können für Aufmerksamkeit sorgen.
Regalpflege
Fleisch- und Wurstalternativen sind je nach Produkt gekühlt ungefähr vier Wochen haltbar. Wie bei fleischhaltigen Produkten gilt auch hier: Regelmäßig das MHD kontrollieren, abgelaufene Ware sowie beschädigte Verpackungen aussortieren und Ware mit dem kürzeren MHD immer vorrücken.
Wurst und Fleisch mal vegetarisch
In letzter Zeit findet man in den Supermärkten immer mehr vegetarische Wurst. Selbst Schnitzel, Frikadellen und Würstchen gibt es fleischlos. Wie geht das?
Der Veggie-Boom hat Hersteller dazu animiert, vegetarische Wurst- und auch Fleischalternativen anzubieten, die fast genauso wie Wurst und Fleisch aussehen und schmecken. In der Regel kommen eiweißreiche Rohstoffe pflanzlicher oder tierischer Herkunft zum Einsatz, z. B.:
Sojabohnen: Sie werden meist in bereits verarbeiteter Form als Tofu oder Sojagranulat verarbeitet.
Seitan: Hierbei handelt es sich um Weizeneiweiß. Seitan hat eine besonders fleischähnliche Konsistenz und lässt sich z. B. zu Aufschnitt, Bratwurst oder Schnitzeln verarbeiten.
Lupineneiweiß: Es wird aus der Lupine, einer Hülsenfrucht, gewonnen und kann z. B. in Schnitzeln, Gyros oder Würstchen verarbeitet werden.
Erbseneiweiß: Aus gelben Erbsen gewonnen findet man das Erbseneiweiß z. B. in vegetarischer Wurst.
Quorn: Hergestellt aus fermentierten Schimmelpilzkulturen nutzt man Quorn als eiweiß- und ballaststoffreiche Fleischalternative.
Hühnereiweiß: Es wird in der Regel getrocknet verwendet, z. B. für vegetarische Schinkenurst und Frikadellen.
Milcheiweiß: Kuhmilcheiweiß mit Pflanzenfasern können die Grundlage für vegetarische Schnitzeln und Nuggets sein.
Vielfältig genießen
Veggie-Wurst & Co. schmecken als Brotbelag, Snack für Zwischendurch oder als Beilage zu warmen Mahlzeiten. Ein bunter Salat lässt sich mit vegetarischem Aufschnitt oder in Streifen geschnittenen Schnitzeln verfeinern. Auf Partys sind kleine vegetarische Frikadellen mit roten Kirschtomaten, Gewürz-Cornichons, Radieschen oder Käsewürfeln auf Spießen ein Hingucker. Vegetarische Bratwürstchen kann man zu Currywürsten verwandeln. Und mit Schnitzelstücken lassen sich Pfannkuchen, Wraps und Pitabrot füllen.
Wissen checken
Wer aufmerksam gelesen hat, kann die folgenden Fragen beantworten:
Welches sind die Hauptzielgruppen für Veggie-Wurst & Co.?
Welche Rohstoffe werden für vegetarische Fleisch- und Wurstalternativen verwendet?
Die Warenverkaufskunde erscheint regelmäßig als Sonderteil im Magazin Lebensmittel Praxis. Wir danken der Rügenwalder Mühle und dem VEBU (Vegetarierbund Deutschland e. V.) für den fachlichen Rat.
Sie sehen fast genauso aus wie Wurst, Schnitzel und Frikadellen, sind aber vegetarisch. Wissenswertes über die Inhaltsstoffe von vegetarischen Wurst- und Fleischalternativen, wie man die Produkte professionell vermarktet und welche Verzehrmöglichkeiten es gibt. Hedda Thielking
Wer isst Veggie-Wurst & Co.?
Vegetarische Fleisch- und Wurstalternativen werden immer beliebter. Doch wer kauft diese Produkte? Sind es nur Vegetarier und Veganer? Weit gefehlt.
Veggie-Boom
160 Millionen Euro setzte der LEH laut Nielsen im Jahr 2016 insgesamt mit vegetarischen Wurstalternativen um. (Discounter plus 40 Prozent, Supermärkte plus bis zu 17 Prozent).
Dass immer mehr Verbraucher auf Fleisch und Wurst verzichten bzw. ihren Fleischkonsum einschränken, könnte so manchen Hersteller und Händler ins Grübeln bringen – sinken doch die Absatzchancen für ihre fleischhaltigen Produkte. Nicht verzweifeln müssen diejenigen, die mit dem Trend gehen und auch vegetarische Fleisch- und Wurstalternativen anbieten, also z. B. vegetarische Mortadella und Salami oder vegetarische Schnitzel, Frikadellen und Nuggets. Wichtig ist, dass man weiß, wie die Kunden ticken, damit man das Sortiment entsprechend gestalten kann. In Deutschland leben rund 7,75 Mio. Vegetarier. Damit verzichten hierzulande 10 Prozent der Menschen auf Fleisch, Wurst und Lebensmittel, die daraus hergestellt werden. Hinzu kommen rund 1,3 Mio. Veganer, die ausschließlich pflanzliche Produkte essen. Die eigentliche Zielgruppe für vegetarische Fleisch- und Wurstalternativen sind aber die Flexitarier, also Verbraucher, die bewusst weniger, aber dafür qualitativ hochwertiges Fleisch essen.
Flexitarier sind „die“ Zielgruppe
So hat die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) herausgefunden, dass die Anzahl der Flexitarier in den vergangenen Jahren rasant gestiegen ist. Gut ein Drittel der Haushalte in Deutschland (37 Prozent) rechnet sich zu dieser Gruppe. Im Vergleich: Der Anteil der Haushalte, in denen sich mindestens ein Vegetarier lebt, beträgt 5 Prozent. Die GfK stellt zudem fest: Flexitarier haben im Jahreszeitraum (MAT 03/2016) 20 Prozent weniger Fleisch und 18 Prozent weniger Wurst gekauft, aber fast viermal so viel Fleischersatzprodukte wie Nicht-Flexitarier. Sie sind – mehr noch als die Vegetarier – die eigentlichen Träger des Veggie-Booms in Deutschland, auch wenn die Vegetarier pro Haushalt deutlich mehr für diese Lebensmittel ausgeben. Diesen Trend sollten Händler nicht verschlafen.
Im Alter mehr Flexitarier
Laut GfK steigt der Anteil der Flexitarier-Haushalte mit zunehmendem Alter. Er ist bei den über 70-Jährigen fast doppelt so hoch wie bei den unter 40-Jährigen. Mit den Vegetarier-Haushalten verhält es sich genau umgekehrt: Ihre Zahl ist in den jüngeren Haushalten doppelt bis dreimal so hoch wie in den älteren.
Geschnitten und am Stück
Rein äußerlich sind vegetarische Fleisch- und Wurstprodukte kaum von den „Originalen“ zu unterscheiden. Doch was steckt drin, wenn kein Fleisch?
Längst haben nicht nur Wurst- und Fleischwarenhersteller, sondern auch Hersteller aus der Naturkost- und Biobranche auf den VeggieBoom reagiert und bieten vegetarische Wurst- und Fleischalternativen an. Schließlich möchten sie sich von dem Erfolg eine dicke Scheibe abschneiden. Die Hersteller versuchen in der Regel, dass diese Produkte eine möglichst fleisch- und wurstähnliche Konsistenz, Textur und Geschmack haben. Doch wie gelingt das? Es gibt unterschiedliche Rohstoffe, die den „Grundstoff“ für Wurst- und Fleischalternativen bilden. Meistens handelt es sich um Eiweiße (=Proteine), die aus pflanzlichen, teilweise auch aus tierischen Rohstoffen gewonnen werden. Im Folgenden stellen wir beispielhaft einige vor:
Die Sojabohne ist eine eiweißreiche Hülsenfrucht. Sie wird z. B. in Form von Tofu oder Sojagranulat verwendet.
Seitan (Weizeneiweiß) verfügt über eine besonders fleischähnliche Konsistenz, es lässt sich gut würzen und zubereiten. Bei der Herstellung wird Weizenmehl mit Wasser zu einem Teig verarbeitet und nach einer Ruhezeit durch Kneten unter Wasser ausgewaschen. Dadurch wird auch ein großer Teil der Stärke ausgewaschen. Zurück bleibt eine zähe, eiweißreiche Masse. Die fleischartige Konsistenz und den Geschmack erhält Seitan durch Kochen oder Dampfgaren der Rohmasse in einer würzigen Marinade. Seitan lässt sich z. B. zu Aufschnitt, Bratwurst oder Schnitzeln verarbeiten.
Gluten (Weizeneiweiß), auch „Klebereiweiß” genannt, kommt grundsätzlich in verschiedenen Getreidearten vor und ist in Backwaren vor allem für die Backeigenschaften verantwortlich. Bei der Herstellung von Lebensmitteln erfüllt es auch andere Zwecke: Es emulgiert, geliert, bindet Wasser, stabilisiert Mischungen und ist ein guter Träger für Aromen.
Gluten?
Soja, Lupinen, Erbsen, Reis und Kartoffeln enthalten im Gegensatz zu getreidehaltigen Rohstoffen wie Gluten (Weizeneiweiß) von Natur aus kein Gluten.
Die Lupine (Lupineneiweiß) ist ebenso wie die Sojabohne eine eiweißreiche Hülsenfrucht. Ihr Anbau gilt als besonders nachhaltig und sie kann problemlos in Deutschland angebaut werden. Die Lupine enthält alle lebensnotwendigen Aminosäuren (Eiweißbausteine). Lupineneiweiß kann z. B. in Schnitzeln, Gyros oder Würstchen verarbeitet werden.
Erbseneiweiß wird aus gelben Erbsen gewonnen. Diese werden gereinigt, zu Mehl gemahlen und der Eiweißanteil anschließend abgetrennt. Man findet es z. B. in mancher vegetarischen Fleischwurst.
Quorn wird aus fermentierten Schimmelpilzkulturen hergestellt. Dabei entsteht ein Pilzeiweiß (Mycoprotein), das hellem Fleisch sehr ähnelt. Es kommt z. B. als protein- und ballaststoffreiche Fleischalternative zum Einsatz. Es wird mit Trockeneiweiß aus Hühnereiern, Fetten und weiteren Zutaten z. B. zu vegetarischen Schnitzeln verarbeitet. Quorn ist übrigens keine Produktbezeichnung, sondern ein Markenname. Hinzu kommen weitere pflanzliche Rohstoffe wie Kartoffelprotein und Reisprotein.
Grundstoffe tierischer Herkunft
Hühnereiweiß: Bei der Herstellung von Lebensmitteln wird Eiklar von Hühnereiern wird in der Regel in getrocknetem Zustand verwendet, unter anderem als Basis für Emulsionen – damit sich Wasser und Fett besser miteinander verbinden. Außerdem sorgt es für ein angenehmes Mundgefühl und eine gute Textur (z. B. Härte oder Klebrigkeit) der Produkte. Je nach Hersteller wird Hühnereiweiß für vegetarische Schinkenwurst und vegetarische Frikadellen verwendet.
Milcheiweiß: Vegetarische Schnitzel und Nuggets können auch auf Basis von Milcheiweiß und Pflanzenfasern produziert werden. Die Herstellung beginnt ähnlich wie bei der Käseproduktion, indem Molke und Milchbruch voneinander getrennt werden. Zu dem eiweißhaltigen Milchbruch werden Pflanzenfasern hinzugefügt. Sie verleihen den Produkten die fleischartige Struktur. Diese sogenannte Milchschnitzelfaser wird mit Gewürzen und Kräutern zu einem Teig verarbeitet, ausgewalzt, geformt, paniert und gegart.
Weitere Zutaten und Zusatzstoffe
Außer diesen pflanzlichen und tierischen „Grundstoffen“ sorgen weitere Zutaten für die gewünschte Konsistenz, die Optik und den Geschmack, z. B.: Rapsöl wird für zahlreiche vegetarische Fleisch- und Wurstalternativen verwendet. Es ist reich an einfach ungesättigten und mehrfach ungesättigten Fettsäuren – das sind wichtige Bestandteile einer ausgewogenen Ernährung. Sojaprotein-Konzentrat dient als Wasser- und Fettbindemittel. Bei dem aus der Sojabohne gewonnenen Sojaprotein-Isolat handelt es sich um ein getrocknetes, flockiges Eiweiß-Konzentrat, es dient als Emulgator, z. B. in vegetarischen Frikadellen. Ganz ohne Zusatzstoffe kommen vegetarische Fleisch- und Wurstalternativen in der Regel nicht aus. So enthalten einige vegetarische Würste zusätzlich Verdickungsmittel (z. B. Carrageen, Guarkernmehl, Johannisbrotkernmehl), damit man die Würste besser schneiden kann. Säureregulatoren (Kaliumlactat, Natriumacetate) erhöhen die Haltbarkeit und Farbstoffe (z. B. Beta-Carotin) geben den Ersatzprodukten die wurst- bzw. fleischähnliche Farbe. Aromen verleihen Lebensmitteln zusätzlich einen besonderen (Fleisch-)Geruch oder Geschmack.
Herstellung
In unserem Beispiel unterscheiden sich die Herstellungsschritte kaum von denen aus der klassischen Wurstproduktion. Größtenteils werden auch die gleichen Arten von Maschinen genutzt: Bei dem vegetarischem Schinken Spicker geht es so: Die Zutaten werden in einem Kutter gemischt. Die Masse – das vegetarische „Brät“ – wird in Kunstdärme gefüllt. Anschließend wird die vegetarische Wurst gebrüht, aufgeschnitten und verpackt. Für vegetarische Frikadellen werden pflanzliche Proteinquellen wie Weizengluten vorbereitet. Auch die weiteren Zutaten werden zu einer cremig-viskosen Masse bereitet. Anschließend wird alles zusammen in einem Kutter gemischt und gewürzt. Danach wird die Masse zu Frikadellen geformt, gebräunt, gegart und verpackt.
Richtiger Produktname?
Viele vegetarische Fleisch- und Wurstalternativen heißen z. B. Vegetarische Salami oder vegetarische Frikadellen. Ist das erlaubt? Rechtlich gesehen gibt es hierfür lediglich die Vorgabe, dass Produktbezeichnungen nicht irreführend sein dürfen (EU-Lebensmittelinformationsverordnung 1169/2011). So ist der Begriff „Wurst“ in der Produktbezeichnung von vegetarischen Ersatzprodukten erlaubt, da die Bezeichnungen Wurst oder Schnitzel – anders als es bei Milch oder Käse der Fall ist – rechtlich nicht geschützt sind. Vegetarische und vegane Wurstalternativen dürfen somit als vegetarische „Salami“ und vegetarische „Fleischwurst“ gekennzeichnet sein. Zusätze wie „vegetarisch“ oder „vegan“ im Titel lassen den Verbraucher erkennen, dass es sich nicht um ein Fleisch- oder Wurstprodukt handelt. Ob das so bleibt, ist fraglich. Die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission (DLMBK) hat einen Fachausschuss eingesetzt, der einen produktgruppenübergreifenden Leitsatz für vegetarische Produkte erarbeitet. Eine Frage ist z. B., ob diese Bezeichnungen weiter zugelassen sind. Die DLMBK ist am Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) angesiedelt, entscheidet aber formal gesehen unabhängig.
Siegel und Label
Verbraucher erkennen vegetarische Produkte oft an einem Siegel beziehungsweise Label. Nur: Es gibt viele verschiedene Siegel, die wiederum unterschiedlichen Anforderungen genügen müssen. Manche Hersteller nutzen auch eigene Siegel. Diese bieten jedoch keine Transparenz, da jedes Unternehmen selbst bestimmen kann, was es unter diesen Begriffen versteht.
Das V-Label: EU-weit einheitliche Anforderungen an vegetarische und vegane Lebensmittel gibt es für Produkte mit dem V-Label. Der VEBU (Vegetarierbund Deutschland e.V.) übernimmt die Vergabe des V-Labels in Deutschland. Vegane Lebensmittel mit dem V-Label dürfen z. B. keine Farb- und Aromastoffe mit Substanzen tierischer Herkunft enthalten.
Wo platzieren?
Wohin gehören vegetarische Wurst- und Fleischprodukte im Markt? Beispiele aus der Praxis.
Vegetarischer Brotbelag, Schnitzel und Snacks gehören in der Regel ins Kühlregal. Hier gibt es verschiedene Platzierungsmöglichkeiten:
Verkauf ankurbeln
Marktexperten wissen, dass die meisten Kunden noch nie vegetarische Wurst- und Fleischprodukte gegessen haben. Das lässt sich ändern –mit Verkostungsaktionen. Cross-Promotions sowie Zweitplatzierungen können den Verkauf zusätzlich ankurbeln. Des Weiteren sollte man auf saisonale Gegebenheiten achten. So können Händler zur Grillsaison auch vegetarische Würstchen und Hamburger in Szene setzen. Auch Verbundplatzierungen z. B. von Vegetarischer Wurst mit Brot, Senf, sauren Gurken oder vegetarische Snacks mit Dips können für Aufmerksamkeit sorgen.
Regalpflege
Fleisch- und Wurstalternativen sind je nach Produkt gekühlt ungefähr vier Wochen haltbar. Wie bei fleischhaltigen Produkten gilt auch hier: Regelmäßig das MHD kontrollieren, abgelaufene Ware sowie beschädigte Verpackungen aussortieren und Ware mit dem kürzeren MHD immer vorrücken.
Wurst und Fleisch mal vegetarisch
In letzter Zeit findet man in den Supermärkten immer mehr vegetarische Wurst. Selbst Schnitzel, Frikadellen und Würstchen gibt es fleischlos. Wie geht das?
Der Veggie-Boom hat Hersteller dazu animiert, vegetarische Wurst- und auch Fleischalternativen anzubieten, die fast genauso wie Wurst und Fleisch aussehen und schmecken. In der Regel kommen eiweißreiche Rohstoffe pflanzlicher oder tierischer Herkunft zum Einsatz, z. B.:
Vielfältig genießen
Veggie-Wurst & Co. schmecken als Brotbelag, Snack für Zwischendurch oder als Beilage zu warmen Mahlzeiten. Ein bunter Salat lässt sich mit vegetarischem Aufschnitt oder in Streifen geschnittenen Schnitzeln verfeinern. Auf Partys sind kleine vegetarische Frikadellen mit roten Kirschtomaten, Gewürz-Cornichons, Radieschen oder Käsewürfeln auf Spießen ein Hingucker. Vegetarische Bratwürstchen kann man zu Currywürsten verwandeln. Und mit Schnitzelstücken lassen sich Pfannkuchen, Wraps und Pitabrot füllen.
Wissen checken
Wer aufmerksam gelesen hat, kann die folgenden Fragen beantworten:
- Welches sind die Hauptzielgruppen für Veggie-Wurst & Co.?
- Welche Rohstoffe werden für vegetarische Fleisch- und Wurstalternativen verwendet?
- Wo sollten die Produkte platziert werden?
Antworten zeigen- Hauptzielgruppen sind Flexitarier, Vegetarier und Veganer.
- Rohstoffe sind z. B. Sojabohnen, Seitan (Weizeneiweiß), Lupineneiweiß, Erbseneiweiß, Quorn, Hühnereiweiß, Milcheiweiß.
- Am meisten bewährt hat sich eine Platzierung im Kühlregal zwischen SB Wurst und Convenience-Produkten.
Antworten versteckenDie Warenverkaufskunde erscheint regelmäßig als Sonderteil im Magazin Lebensmittel Praxis. Wir danken der Rügenwalder Mühle und dem VEBU (Vegetarierbund Deutschland e. V.) für den fachlichen Rat.