Grundlagen

So bereiten Sie sich richtig auf Verhandlungen vor

Richtig verhandeln

Das Herz rast, die Hände sind schweißnass – und das Gehirn ist leer: Dabei sind Sie gerade auf dem Weg zu einem wichtigen Gespräch, zu einer wichtigen Verhandlung über Preise und Konditionen. Wie Sie gut vorbereitet und sicher in wichtige Gespräche gehen und welche Rolle spieltheoretische Methoden spielen, das weiß René Schumann, Geschäftsführer von Kerkhoff Negotiations.

GF René Schumann KN
René Schumann, Geschäftsführer Kerkhoff Negotiations, weiß, wie man Verhandlungen erfolgreich führt. Foto: Kerkhoff Negotiations

Egal ob es um die Jahresgespräche zwischen Handel und Hersteller geht oder um eine Verhandlung über neue Konditionen mit Lieferanten: Verhandlungen in der Lebensmittelbranche sind ein knallhartes Geschäft.  „Die Lebensmittelbranche ist ein sehr schneller, dynamischer Markt mit kurzen Planungsintervallen auf beiden Seiten“, nennt René Schumann, Geschäftsführer von Kerkhoff Negotiations, einen wesentlichen Punkt.
Weitere sind:

  • Eine hohe Selbstorganisation, schnell wechselnde Verhandlungspartner, schnelle und zielorientierte Kommunikation
  • Es gibt, den vielen Interaktionen geschuldet, gut ausgebildete Verhandler auf beiden Seiten
  • Die Ausgangssituationen in den Verhandlungen innerhalb der Branche sind sehr unterschiedlich, abhängig davon, ob ein  Handelsmarken-Hersteller verhandeln muss oder ein Markenhersteller. „Die Verhandlungsprozesse sind vollkommen verschieden.“

Wie spieltheoretische Methoden beim Verhandeln helfen

Es ist also Vorbereitung zwingend vonnöten, um bestehen zu können. Hier kommen die schon angesprochenen spieltheoretischen Methoden zum Zuge. Schumann präzisiert: „Verhandeln mithilfe von spieltheoretischen Methoden bedeutet, sich zu überlegen, was die Interessen und auch Anreize der Gegenseite sind und wie sich damit die Verhandlung steuern lässt.“ Habe man diese Bedürfnisse der Gegenseite verstanden, könne deren Verhalten in der Verhandlung „zu großen Teilen antizipiert werden“. Und das eigene Verhalten daran angepasst werden. Das heißt in der Praxis: „Ist man Einkäufer, können auch von Beginn an die Regeln und Rahmenbedingungen der Vergabe so festgelegt werden, dass die Anreize der Lieferanten möglichst nahe an denen des Einkäufers liegen“, sagt Schumann.

So bereiten Sie sich richtig auf Verhandlungen vor

Spieltheoretische Methoden zu verwenden, das gelingt nicht aus der Hüfte heraus. Dazu bedarf es detaillierter und guter Vorbereitung. Diese lässt sich in zwei Schritte gliedern.

Der Verhandlungsexperte nennt folgende Punkte, die im ersten Schritt unbedingt geklärt werden müssen:

  • Stecken Sie die Ziele ab, und monetarisieren Sie diese: „Es ist wichtig zu wissen, was einem die einzelnen Parameter der Verhandlung in Geld wert sind, denn nur so lassen sie sich miteinander vergleichen und gegeneinander abwägen.“
  • Planen Sie dafür Zeit ein, und nehmen Sie sich diese: „Die Ziele abzustecken, kann ein durchaus zeitintensiver Prozess sein. Aber nur so lässt sich eine objektive Vergleichbarkeit schaffen.“
  • Was will die Gegenseite? „In einem zweiten Schritt kann es auch nützlich sein zu verstehen, was die Anreize der Gegenseite sind und wie man diese in der Verhandlung ausnutzen kann.“

Schreiben Sie ein Drehbuch zur Vorbereitung!

Haben Sie sich in einer ersten Runde Klarheit über die Ziele verschafft, geht es im zweiten Schritt um eine detailliertere, konkretere Planung – Sie schreiben quasi ein Drehbuch. „Der Ablauf muss inhaltlich von der Verteilung der Rollen und der Organisation durchgeplant sein“, sagt Schumann.

Beispiel für die inhaltliche Vorbereitung: Es nützt wenig, wenn man neben der Monetarisierung noch eine zweite Bewertungsskala einführt, die zwar einfacher zu bestimmen ist (beispielsweise ein Ampelsystem), aber dafür nicht mehr vergleichbar ist mit den anderen Parametern. „Die Hauptsache ist es, objektiv und strukturiert in die Verhandlung gehen zu können.“

Rollenverteilung: Jeder direkt oder indirekt involvierte Verhandler muss wissen, was er wann, zu wem, wie sagt. Hier sind in wichtigen Verhandlungsprozessen genaue Planung und eine explizite Rollenanweisung erforderlich. „Dies ist aufwendig, lohnt sich aber enorm“, weiß Verhandlungsexperte Schumann.

Organisation: „Nichts ist störender in einer Verhandlung als schlecht geplante Ablaufpunkte. Von der Agenda bis hin zur Raumplanung muss es einfach funktionieren. Gleichzeitig muss der Verhandlungsführer auf Fehler und damit Probleme für die Verhandlung vorbereitet sein“, beschreibt Schumann.

Die fünf größten Fehler in der Vorbereitung der Verhandlung:

  1. Neben der fachlichen Vorbereitung ist die emotional-taktische Vorbereitung wichtig. Für sich selbst, aber auch für involvierte Co-Verhandler. Geben Sie jedem aktiv eine Rolle und Aufgaben.
  2. Definieren Sie Ziele, gegliedert in Einstiegsziele, Realziele und Mindestziele, und ändern Sie diese nicht mehr während der Verhandlung. Werden die Mindestziele nicht erreicht, ist ein Verhandlungsabschluss nicht erlaubt.
  3. Überlegen Sie sich immer eigene Alternativen, aber auch die Verhandlungsalternativen des Gegenübers (Eigen- und Reverse-BATNA). BATNA ist die „Best Alternative To a Negotiated Agreement“: Es steht für die beste Alternativoption, falls es bei einer Verhandlung nicht zu einer Einigung kommt. Überlegen Sie genau und konkret eigene Alternativoptionen (Eigen-BATNA) und im Gegenzug dementsprechend die beste Alternativoption der Gegenseite (Reverse-BATNA).
  4. Finden Sie das richtige Verhandlungstiming, aber gehen Sie gleichzeitig keiner Verhandlung aus dem Weg, insofern eine Einigung erforderlich ist.
  5. Sehen Sie eine Verhandlung immer auch als Spiel an. Behalten Sie die Leichtigkeit, ohne leichtsinnig zu werden.

Bestehen in der Verhandlung

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Jede Verhandlung muss gut vorbereitet werden. Das gilt auch für die Raumplanung. Bildquelle: Drew Beamer / Unsplash

Wann ist eine Verhandlung eigentlich eine gute aus Sicht eines Verhandlungsexperten, der schon in vielen Gesprächen mit seinem Gegenüber um die Ziele rang? „Spannenderweise ergibt sich das Bild, dass Verhandlungsführer sich subjektiv in drei von vier Fällen als Gewinner der Verhandlung ansehen“, berichtet René Schumann. Ob eine Verhandlung gut oder schlecht lief, basiere landläufig auf einer nahezu ausschließlich subjektiven Basis: „Dies ist falsch und bietet hohes Gefahrenpotenzial aus unserer Sicht.“

Gleichzeitig haben die Experten festgestellt, dass Verhandlungen nicht an einer gemeinsamen Schnittmenge für eine Lösung gescheitert seien. Letztlich ist es viel banaler: „Oft liegt es an falscher Emotionalität, Taktierern und an einem ‚Sich-selbst-Verzetteln‘.“ René Schumann rät daher dringend, die vorher vereinbarten Ziele konsequent zu verfolgen: „Wichtig ist, dass gut von schlecht anhand der Zielerreichung gemessen wird. Die Ziele werden vor der Verhandlung festgelegt und während des Verhandlungsprozesses nicht mehr geändert.“ Das kann dann durchaus auch konfrontativ sein, helfe aber nach seiner Erfahrung beim Prozess, gemeinsam Lösungen zu finden: „Jeder weiß, was dem anderen wichtig ist, und kann so Lösungen ‚bauen‘, die für beide tragbar sind. So können beide Seiten erfolgreich aus der Verhandlung gehen.“

Doch worauf sollten Berufseinsteiger in der Verhandlung achten? Auch alte Hasen spüren den besonderen Druck, der etwa bei Jahresgesprächen mit dem Handel oder Verhandlungen über Konditionen mit Lieferanten auf ihnen lastet. Doch sie können mental auf schon erfolgreich absolvierte Verhandlungen zurückblicken. Berufseinsteiger haben diesen Fundus nicht. Für sie sind diese Termine eine besondere Herausforderung. René Schumann und seine Kollegen wissen aus vielen Gesprächen, dass eine der großen Aufgaben die Kontrolle der eigenen Emotionen ist: „Die oft erfahrenere Gegenseite versucht hier im Regelfall anzusetzen und erste Fallen zu positionieren.“ Also: einen kühlen Kopf bewahren!
Und die vereinbarten Ziele im Kopf behalten: Dazu gehören laut Schumann wie beschrieben systematische Vorbereitung und strukturiertes Verhandeln – wie im Drehbuch mit den Kollegen abgesprochen. „Keine Freestyle-Verhandlungen auf der Basis von Intuition.“
Das Gegenüber muss nicht mit Argumenten überzeugt werden: „Es ist nicht hilfreich, den Anspruch an sich zu haben, den Gegner überzeugen zu wollen“, stellt Schumann klar, denn jeder werde bei seiner Meinung bleiben. „Ziel ist es, signifikante Zugeständnisse zu erhalten.“

Auch der Arbeitgeber kann helfen!

Nun ist Verhandlungsgeschick nicht jedem in die Wege gelegt: Wie kann ein Unternehmen seine Mitarbeiter dabei unterstützen? Schumann ist da ganz pragmatisch: „Es sollte ein begleiteter und vorbereiteter Wurf ins kalte Wasser sein.“ Für Unternehmen sei es wichtig, Verhandlern im Vorfeld das methodische Rüstzeug an die Hand zu geben und konkrete Verhandlungssituationen zu simulieren. „Danach wird die Person in reale Verhandlungen entsendet. Dabei ist wichtig, dass kontinuierlich Trainings- und Supervisionsmöglichkeiten bestehen. Supervision ist oft wichtiger als Trainings von der Stange“, lautet der Ratschlag des Verhandlungsexperten. „Den Austausch mit Verhandlern über die eigene Verhandlungsmethode halten wir für extrem wichtig.“

Die 5 größten Fehler in einer Verhandlung: 

  1. Emotionale Kurzschluss-Aktionen, die Sie an Augenhöhe verlieren lassen.
  2. Drohungen aussprechen, die Sie nicht sinnvoll umsetzen können.
  3. Fehlendes Management der Co-Verhandler und Informationsvermittler an die Gegenseite: Sie müssen das Zepter in der Hand behalten und einschreiten, wenn jemand aus seiner Rolle ausbricht.
  4. Verhandlungen als isolierte 1:1-Situationen wahrzunehmen. Es ist immer wichtig, den Vergleich der Wettbewerber oder der Alternativen systematisch aufzubauen und zu bewerten. Ist eine Alternative bewertet, und Sie können diese dem Gegenüber transparent machen, ist dies ein Game-Changer in jeder Verhandlung.
  5. Stehen bleiben in der eigenen Kompetenzerweiterung. Reflektion, Austausch, Trainings und Supervision sind aktiv zu suchen und einzufordern.

Die Nachbereitung der Verhandlung

Nach der Verhandlung ist vor der Verhandlung: Die interne Nachbereitung des Gesprächs, seiner Abläufe und erreichten Ergebnisse ist ein wichtiger Schritt, wie Schumann sagt. „Es sollte analysiert werden, wie man zum Ergebnis gekommen ist und, falls es nicht wie gewünscht verlaufen ist, an welcher Stelle der gewünschte Pfad verlassen wurde.“
Hier ist Ehrlichkeit gefragt, dahin gehen, wo es weh tut, wie es der Verhandlungsexperte ausdrückt: Es müsse genau überlegt werden, warum man nicht den anvisierten Erfolg erreicht hat. „Wichtig ist es bei den Reflexionen, dass es einen Coach gibt, einen unabhängigen Dritten, der klar die oft ‚weißen Flecken‘ systematisch erarbeitet und angeht.“

Kerkhoff Negotiations ist ein europaweit agierendes spezialisiertes Beratungsunternehmen, das für seine Kunden nach eigenen Angaben schwierige Verhandlungsfälle mit bestmöglichem Ergebnis löst. Dabei geht es vor allem um komplexe und konfliktträchtige Verhandlungen aller Art, etwa in Einkauf, Vertrieb oder Mitarbeiterangelegenheiten. Der Unternehmenssitz ist Düsseldorf, die Geschäftsführer sind René Schumann und Stefan Oswald.