Retail Insights

Warum Bitburger die Preisbindung zurück will

BitburgerChef Axel Dahm spricht über die vertikale Preisbindung.
Bitburger Chef Axel Dahm zur vertikalen Priesbindung.
Axel Dahm von Bitburger würde die Preise für sein Bier im Handel wieder gerne selbst bestimmen. Seit dem Verbot der „Preisbindung zweiter Hand“ (1974) ist dies nicht mehr möglich. Foto: Eilers

Viele Hersteller sind unzufrieden mit der Preisgestaltung im Handel. Sie treffen sogar illegale Preisabsprachen, trotz hoher Geldbußen. Warum gibt es dieses Mißverhältniss und was ist die „Preisbindung zweiter Hand“? Unser Interview mit Axel Dahm von Bitburger (geführt Ende 2018), einem der bekanntesten Brau-Manager Deutschlands, erläutert die Thematik an einem Beispiel aus der Praxis.

Herr Dahm, Sie werden von Menschen aus Ihrem Umfeld häufig als Optimist bezeichnet. Wie behält man als Brauerei-Manager angesichts der Preisentwicklung bei deutschem Pils eine gute Laune?

Ich denke, wir stehen kurz davor, uns des Problems der Wertevernichtung bei Pils zu entledigen. Fast alle Markenbiere liegen seit den Preiserhöhungen Anfang des Jahres auch beim Promotion-Preis über der wichtigen Schwelle von zehn Euro. Es wird nicht mehr lange dauern, und wir werden keine Kästen mehr unter zehn Euro sehen. Wie Sie wissen, haben wir derzeit keinen Einfluss auf die Preise im Handel und können Extrem-Promotions nicht verhindern. Aber: Je höher der Normalpreis wird, desto größer ist der Abstand zur Aktion. Erst kommt der Schmerz und dann die Vernunft.Je höher der Normalpreis wird, desto größer ist der Abstand zur Aktion. Erst kommt der Schmerz und dann die Vernunft.

„Je höher der Normalpreis wird, desto größer ist der Abstand zur Aktion. Erst kommt der Schmerz und dann die Vernunft.“

Axel Dahm

Geschäftsführer, Bitburger Brauerei

Die Atmosphäre zwischen Marken-Herstellern und Lebensmittel-Einzelhandel (LEH) scheint so schlecht zu sein wie noch nie. Immer wieder hört man von respektlos geführten Jahresgesprächen. Passend zur Jahreszeit dürfen Sie dem LEH jetzt mal einen Wunschzettel schreiben.

Ich würde mir wünschen, dass der Lebensmittel-Einzelhandel morgen freiwillig beschließt, die so genannte „Preisbindung der zweiten Hand“ wieder einzuführen. Dass also wir wieder festlegen können, zu welchem Preis unser Bier im Laden steht. Dann brauchen wir keine für beide Seiten anstrengenden Jahresgespräche mehr. Dann gibt es auch keine Promotion-Preise. Ein national einheitlicher Preis für alle Händler und jeder kann dann entscheiden, ob unser Bier den Preis wert ist oder nicht. Selbstverständlich ist mir klar, dass dieser Wunsch bei der derzeitigen Gesetzgebung völlig illusorisch ist. Aber Sie fragten ja nach einem Wunsch für den Weihnachtsmann…

Das Verbot der Preisbindung soll den Wettbewerb befördern und niedrige Endverbraucherpreise garantieren. Was ist daran falsch?

Seit die „Preisbindung der zweiten Hand“ 1974 abgeschafft wurde, macht der Handel gute Geschäfte und nicht immer die Hersteller. Es ist handelspolitisch hoch interessant, wie ein Gesetz die Realität verändern kann. Dass heutzutage sogar schon ein Welt-Konzern wie Nestlé in die Knie gezwungen werden kann, ist erstaunlich und beängstigend, wenn man auf der Herstellerseite sitzt.

Sehen Sie in absehbarer Zeit eine politische Mehrheit für Ihren Traum von der Preishoheit?

Die Politik korrigiert selten ihre Fehler. Das zeigt der Klassiker Mehrwegabgabe. Wenn der Handel mit den neuen Playern wie Amazon das Geschäft irgendwann so dominiert, dass die Hersteller komplett machtlos sind, dann kommt irgendein neues Schutzgesetz. Ein „Mindestmargengesetz“ vielleicht (lacht).

Was ist die Preisbindung der zweiten Hand?
ein Hersteller verpflichtet seine Abnehmer, die von ihm gelieferte Ware nur zu dem von ihm festgelegten Preis weiter zu veräußern. Vertikale Fest- oder Mindestpreisbindungen zulasten des Käufers fallen unter das Verbot des § 1 GWB und des Art. 101 I AEUV.
Quelle: Gaber Wirtschaftslexikon

Ein Verbot vertikaler Preisbindungen in Deutschland wurde bereits in den 1960ern diskutiert. In Deutschland sind Preisbindungen zum 1. Januar 1974 grundsätzlich für unzulässig erklärt worden; zuvor waren sie bei Marken die Regel.

Pils ist ein Konsumgut, das heute noch genau so viel kostet wie vor 20 Jahren. Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Ist alleine der Handel schuld?

Beim Pils gibt es das Phänomen, dass die Verpackungseinheit Währungscharakter hat. Der 20 x 0,5 Liter-Kasten ist für Pils, was die 100-Gramm-Tafel bei Schokolade ist. Durch diese Einheiten lassen sich die Preise besser vergleichen als beispielsweise bei Wasser oder Joghurt, wo es viele unterschiedliche Gebindegrößen gibt.

Frauen haben viele Preise im Kopf, aber Männer sind da eher schlicht. Ein Kasten unter 10 Euro ist billig, einer über 10 Euro ist teuer. Das kann man sich als Mann gut merken. So wurde der Kasten Bier das im Grunde einzige Produkt, mit dem der Handel über Promotions Männer in die Läden locken kann. Die Branche ist nicht aus der Falle rausgekommen und so haben wir trotz aller Preissteigerungen bei der Produktion immer noch die gleichen Endverbraucherpreise wie vor zwei Jahrzehnten. Das ist verrückt.

Eine interessante These. Aber hat sich der ruinöse Wettbewerb beim Pils nicht vor allem deshalb verschärft, weil die Verbraucher die großen Marken als geschmacklich austauschbar empfinden?

Es ist eine traurige Situation, dass das so wahrgenommen wird, denn es stimmt einfach nicht. Wenn wir uns allein die Bitterdimensionen betrachten, gibt es riesige Unterschiede zwischen Marken wie Jever, Bitburger und Krombacher. Hier zeigt sich ein negativer Aspekt des Reinheitsgebotes: Die Verbraucher haben das Gefühl, dass überall das Gleiche drin ist. Die wenigsten wissen, dass es alleine 1.000 verschiedene Hopfensorten gibt sowie große Unterschiede bei den Malz- und Hefesorten. Ich könnte den ganzen Tag über Pils sprechen. Das ist auch der Grund, warum ich jeden Craft-Brauer liebe! Auch wenn mancher noch so ein ungenießbares Bier herstellt: Wir ‚Großen‘ müssen den Craft-Brauern jeden Tag dafür danken, dass wieder positiv über Bier geredet und diskutiert wird. Aber wir müssen es auch selbst tun.