Risikomanagement

Crowdinvest: Das sind die Vorteile für Unternehmen

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Die „Crowd“ – ein schwammiger Begriff in modernem Denglisch, der für den Bio- sowie Finanzmarkt von wachsender Bedeutung ist. Immer mehr Öko-Hersteller, insbesondere etablierte Markenanbieter, lassen sich Projekte und Wachstumsstrategien mithilfe des „Schwarms“ finanzieren. Über die Vorteile und Herausforderungen.

Der Gang zur Bank ist für kleine und mittelständische Unternehmen heute oft kein leichter. Um mehr Kapital für nötige Investitionen aufzunehmen, sind deutlich mehr Sicherheiten gefordert, die Konditionen sind härter geworden. Dass es jedoch Alternativen zum klassischen Bankkredit gibt, hat die Start-up-Szene vorgemacht: Die Schwarm-Finanzierung boomt.
Einige Online-Plattformen setzen einen Schwerpunkt auf nachhaltige Unternehmen sowie Projekte und gewinnen mehr und mehr etablierte Bio-Hersteller als Kunden.

In den vergangenen vier Jahren wurden alleine beim Digitalfinanzierer Finnest.com 27 Kampagnen mit Unternehmen der Bio-Branche in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt. Dabei boten Anleger den Unternehmen nach Angaben von Finnest rund 18 Millionen Euro an. Richtig angefasst, bringen Crowdinvest-Kampagnen nicht nur zusätzliches Kapital, sondern auch positive Marketingeffekte.
So benötigt Saft-Spezialist Beckers Bester aktuell eine zusätzliche Finanzspritze für wichtige Modernisierungen und Erweiterungen von Produktionsanlagen. Derzeit läuft über Finnest.com die zweite Crowdinvest-Kampagne des Familienunternehmens.

Das Familienunternehmen Tress Lebensmittel (Marke Tress Brüder) hat Anfang 2019 über die Plattform Econeers.de mehr als 1,1 Millionen Euro von 656 Investoren eingesammelt und Voelkel Fruchtsäfte eine neue Abfüllanlage mit rund 1,5 Millionen über Finnest mitfinanziert.
Der junge Bio-Spätzleteig-Hersteller Frizzle schaltete eine Kampagne über Conda.eu und erzielte gut 446.000 Euro von 446 Klein-Investoren, während die Berliner Veganz Group gleich mehrere Millionen Schwarm-Kapital über verschiedene Finanzierungs-Runden über Kapilendo und Seedmatch einfuhr. Gerade läuft die nächste Kampagne, über die satte zehn Millionen Euro erzielt werden sollen (siehe Interview mit CEO Jan Bredack unten).

So funktioniert Crowdinvest

Zu Laufzeiten von meist fünf bis sechs Jahren werden Klein-Investoren Nachrangdarlehen zu jährlichen Zinssätzen von bis zu acht Prozent angeboten. Beckers Bester bietet aktuell eine Verzinsung von bis zu fünf Prozent jährlich (fix). Zusatz-Anreize schaffen sollen Angebote wie ein 50-Prozent-Bonus für Investoren, die mindestens 1.000 Euro anlegen und sich ihre Zinsen in Gutscheinen auszahlen lassen. Ab 5.000 Euro erhalten Investoren regelmäßig eine Auswahl exklusiver Neuprodukte, bevor diese in den Handel kommen.

Zweifelsfrei sehr verlockende Angebote. Für den Investor ist das Unterfangen jedoch riskant: Geht der Kreditnehmer pleite, werden andere Gläubiger vorrangig behandelt, im schlimmsten Fall droht somit der Totalverlust des Kapitals. Für den Kreditnehmer bringen Crowdinvestment-Kampagnen jedoch eine Reihe an Vorteilen mit sich, die entscheidend sein können, um Weichen zu stellen für die Zukunftsfähigkeit und Etablierung eines Unternehmens im Markt.

Eigenkapital erhöht

Die Notwendigkeit eines schnellen Wachstums, um im trendigen bio-veganen Segment jetzt eine führende Markenposition zu besetzen, hat Hersteller Biovegan (Marken: Biovegan, Nicol Gärtner) dazu veranlasst, auf Crowdfinanzierung zu setzen.

„Banken verstehen die Marktdynamik zu wenig, fordern sehr hohe Sicherheiten und zudem ein deutlich langsameres Unternehmenswachstum.“

Matthias A. Gärtner, Geschäftsführer Biovegan

„Wir stehen aber unter Zeitdruck. Wenn erst große Player wie Dr. Oetker oder Nestlé in unseren Warengruppen auf den Zug aufspringen, haben wir mit unseren Budgets kaum noch eine faire Chance.“
Das Unternehmen aus Bonefeld im Westerwald ist auf einem guten Weg, verzeichnet jährliche Umsatzsteigerungen zwischen 25 und 30 Prozent. Lag der Umsatz 2008 noch bei 600.000 Euro, schloss Biovegan das vergangene Jahr mit mehr als 15 Millionen ab. Innerhalb der nächsten fünf Jahre wollen Matthias A. und seine Frau Nicol Gärtner, Geschäftsführende Gesellschafterin und Tochter der Unternehmensgründerin, ihren Umsatz noch einmal verdoppeln.

Dynamisches Wachstum erfordert auch höhere Investitionen in Produktentwicklung, Rohstoffsicherung oder Maschinen. In der niedrigmargigen Ernährungswirtschaft könne man als mittelständisches Unternehmen die Eigenkapitalquote jedoch nicht entsprechend den Forderungen der Banken steigern, erläutert Matthias A. Gärtner weiter. Biovegan hat daher bereits zwei Crowdinvest-Kampagnen (Finnest) erfolgreich beendet. Mit der ersten Tranche wurde Anfang 2019 eine knapp siebenstellige Summe eingesammelt, mit der vor allem der Aufbau eines Rainforest-Alliance-zertifizierten Bio-Vanilleanbaus in Madagaskar finanziert wird.

Im Herbst 2019 folgte die zweite Kampagne. Die angestrebte siebenstellige Summe wurde in nur drei Wochen erreicht. Finanziert werden soll damit das Ziel von Biovegan, bis Ende 2020 ein komplett plastikfreies Unternehmen zu werden, inklusive der Umstellung auf 100 Prozent vollkompostierbare Produktverpackungen. Gerade in die Entwicklung letzterer fließe nicht nur jahrelange Arbeit, sondern auch viel Geld, so Nicol Gärtner. Im Vergleich zur klassischen Bankenfinanzierung mit eher kurzen Rückzahlfristen, sind die Laufzeiten der Crowdinvestments recht lang. Auch bei vorzeitiger Liquidität können diese vom Unternehmen nicht vor Ablauf der fünf Jahre abgelöst werden.

Info

Grüne Investments

Eine Reihe von Crowdinvestment-Plattformen unterstützt nachhaltige Unternehmen und Vorhaben:
Econeers.de
Finnest.com
Conda.eu
GreenRocket.com
Seedmatch.de

Verhandlungsposition gestärkt

Doch die Vorteile der alternativen Finanzierung überwiegen für Biovegan: Der Zinssatz der Nachrangdarlehen sei deutlich niedriger als von den Hausbanken geboten. „Zudem stärken wir unsere Verhandlungsposition gegenüber den Banken, wenn es um künftige Finanzierungen geht“, so der Geschäftsführer. Denn die Nachrangdarlehen erhöhen als so genanntes Mezzanine-Kapital das haftbare Eigenkapital.

In Verhandlungen um Bankkredite bestimmt die Eigenkapitalquote die Grenzen der Fremdkapitalaufnahme und den Rahmen der Finanzierungsmöglichkeiten insgesamt. Je mehr Eigenkapital, desto günstiger in der Regel die Konditionen bei der Darlehensaufnahme. Demnach stärkt ein Unternehmen mithilfe von Crowdinvestments auch seine Verhandlungsposition gegenüber der Bank.

„Wir sehen das Crowdinvest als gute Ergänzung und Alternative zur reinen Bankfinanzierung, auch um mögliche Finanzierungsrisiken über eine Streuung durch verschiedene Darlehensgeber zu minimieren.“

Jan-Peter Bauck, Geschäftsführer Bauck (Bauckhof).


Der Naturkost-Spezialist Bauck hat sich den Bau einer zusätzlichen modernen Mühle zur Produktion von glutenfreien Flocken und Mehlen in Bio- und Demeter-Qualität durch die Finnest-Crowd teilfinanzieren lassen. Das Ziel von einer Millionen Euro wurde sogar überzeichnet. Die Investoren konnten ihre Wunschfinanzierung zwischen zwei und fünf Prozent wählen, der Zuschlag lag bei 3,5 Prozent.

Bauck ging es darum, mit der Kampagne die vielfältigen Kundengruppen stärker in die Entwicklung des Unternehmens einzubinden und den Ausbau der Bio-Landwirtschaft zu fördern. Gut angenommen wurde die Möglichkeit, sich die Zinsen in Form von Warengutscheinen ausbezahlen zu lassen und dafür einen Bonus von 20 Prozent zu erhalten. So wird gleich der Absatz der Bauckhof-Produkte erhöht.

Geld vom Schwarm: Treue Bio-Kunden und -Händler investieren zunehmend in „ihre“ Marken.
Bildquelle: Edwin Adrade/unsplash

Marken-Botschafter

Für Biovegan hatten die Crowdinvest-Kampagnen darüber hinaus wertvolle Marketing-Effekte, und das Unternehmen gewann mit den Investoren, pro Kampagne zwischen 150 und 200, treue und engagierte Partner (auch Händler investierten), Kunden und Multiplikatoren.
Auch für andere Unternehmen liegt genau darin ein besonderer Wert des Crowdinvestments.

So haben sich Tress Lebensmittel (Tress Brüder) vor allem aus Marketinggesichtspunkten für die alternative Finanzierungskampagne entschieden. „Wir erhoffen uns hieraus den Crowd-Effekt, der Investor soll automatisch auch sein Netzwerk für die Produkte aktivieren und begeistern“, erklärt Dominik Tress.

Das Unternehmen hatte in der Kampagne eine Art Stufenfinanzierung beworben und genau erklärt, welche Pläne es ab welcher Summe realisieren möchte: Ab 100.000 Euro ging es um den Ausbau der Listungen und Lagerbestände, ab 300.000 Euro sollte der Launch neuer Bio-Fertiggerichte angegangen, ab 500.000 Euro zudem der Ausbau der Vertriebsstrukturen des Außendienstes finanziert werden und ab 750.000 ging es zudem um die Weiterentwicklung nachhaltiger Verpackungen.

Am Ende wurde mit gut 1,1 Millionen Euro (die Verzinsung lag bei 6 Prozent) das höchste Finanzierungsziel sogar deutlich übertroffen. Mit den Extra-Euros konnten einige Themen schneller realisiert und die Brand-Awareness gesteigert werden.

Investoren bei Laune halten

Um aus Anlegern Multiplikatoren zu machen, gilt es, diese über die nächsten Jahre hinweg zu aktivieren und darüber zu informieren, was mit deren Geldern erreicht wird. Die gezielte Kommunikation mit den Investoren kann somit auch Veränderungen in der Unternehmenskommunikation nötig machen. Bei Bauck werden die Anleger regelmäßig auf dem Laufenden gehalten. Sie bekamen beispielsweise zum Jahreswechsel Infoschreiben zum Stand der Baumaßnahmen der neuen Bauck-Mühle und ihrem Investment. Auch Tress sendet regelmäßige Reportings an die Investoren.

„Unsere Investoren sind natürlich sehr interessiert daran, was mit ihrem Kapital geschieht und wie sich unser Unternehmen weiterentwickelt.“

Jan Bredack, Veganz Group

Die Investoren seien eine wichtige Anspruchsgruppe, aber auch Förderer und Fans der Marke, erklärt Bredack. So werden wesentliche Neuheiten nicht nur über Social-Media-Kanäle bekannt gegeben, sondern auch gezielt per Newsletter an die Anleger.

Jan Bredack
Jan Bredack, Gründer und Geschäftsführer der Veganz Group AG
Bildquelle: Veganz

Drei Fragen an Veganz-CEO Jan Bredack

Die Veganz Group AG, Hersteller bio-veganer Produkte, beschleunigt mithilfe von Schwarm-Kapital das Unternehmenswachstum und die Produktentwicklung.

LP: Herr Bredack, Sie haben einige Finanzspritzen über eine Crowdinvest-Kampagnen eingesammelt. Wo liegen die Vorteile der Schwarm-Finanzierung?

Jan Bredack: Nach dem großen Erfolg unserer ersten Crowdinvest-Kampagne über Kapilendo haben wir uns sehr leicht getan, in diesem Jahr eine neue Kampagne auf Seedmatch zu starten, um unter anderem unser weiteres Wachstum zu finanzieren. Zudem war es mit Blick auf unsere im ersten Quartal 2020 geplante Anleiheemission für uns quasi ein Testlauf, der sehr erfolgreich verlaufen ist. Grundsätzlich ist diese Finanzierungsart für Unternehmen in unserer Phase sehr gut geeignet, da sie neben dem Kapitalbedarf auch Marketingaspekte abdeckt. Jeder Investor aus der Crowd fühlt sich automatisch auch mit unserem Unternehmen und unseren Produkten verbunden, was für B2C-Geschäftsmodelle wie unseres einen echten Mehrwert bedeutet.

Was macht das schnelle Wachstum nötig? Warum nicht langsamer aus eigener Kraft wachsen nach den Turbulenzen der letzten Jahre?

Wir agieren nicht nur in einem schnelllebigen, sondern auch in einem schnell wachsenden Markt. Global werden für den veganen Markt bis 2026 jährliche Wachstumsraten von neun Prozent erwartet. Allein in Deutschland ist der Umsatz für vegan-vegetarische Lebensmittel von 2018 auf 2019 um über 24 Prozent gewachsen. Dieser Wachstumsmarkt wird auch für potenzielle neue Anbieter zunehmend interessanter. Unsere bereits hohe Marktdurchdringung wollen wir in dieser Situation ausbauen, indem wir verstärkt in Vertrieb und Marketing investieren. Parallel erschließen wir neue Segmente mittels kontinuierlicher Produktentwicklungen, vor allem im Frischebereich. Darüber hinaus erreichen wir über unsere Aktionsgeschäfte im Discount Schritt für Schritt eine neue attraktive Käuferschicht.

Welche Bedeutung haben diese Kampagnen aus Marketingsicht? Inwieweit werden Ihre Investoren sogar zu Ihren Sales- und Marketing-Unterstützern?

Unsere Crowdinvest-Kampagnen haben eine hohe Bedeutung. Unsere Investoren sind für uns wichtige Multiplikatoren, und sie sind absolut überzeugt von unserer Marke. Darüber hinaus erzeugen die Kampagnen positive PR-Effekte. Es ist nicht allein auf unsere TV- und Mediakampagne zurückzuführen, dass unsere Markenbekanntheit von Mitte 2018 bis Ende 2019 um 27 Prozent gestiegen ist.