Immer mehr Lebensmittel sind halal. Was das bedeutet, wissen meist nur diejenigen, die es betrifft, eben die Muslime. Händler, die Kunden für sie fremder Religionen optimal bedienen wollen, sollten aber wissen, was ihre Kunden essen dürfen und was nicht. Ein Überblick über die Regeln der Muslime (halal) und Juden (koscher). Heidrun Mittler und Elke Häberle
In der Woche vor Ostern und speziell an Karfreitag essen gläubige Christen kein Fleisch, sondern allenfalls Fisch. Erwachsene Muslime hingegen verzehren während ihrer Fastenzeit – dem Ramadan – überhaupt nichts, und das von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Gläubige Buddhisten ernähren sich möglichst einfach und meistens vegetarisch. Schon diese drei Beispiele verdeutlichen, dass jede Religion bestimmte Bräuche und Vorschriften hat, die den Mitgliedern der anderen Weltreligionen aber weitgehend fremd sind.
Wirtschaftliche Bedeutung bekommt die Zugehörigkeit zu einer Religion spätestens in dem Moment, in dem ein Händler gläubige Muslime oder Juden zu seinem Kundenkreis zählt (oder die Absicht hat, diese Kunden besser zu bedienen). Dass man einem Muslim kein Schweinfleisch verkaufen kann, dürfte in unserem Kulturkreis bekannt sein. Aber wie steht es um Fleisch von anderen Tieren oder gar Wurstwaren?
Diese Warenverkaufskunde möchte Verständnis wecken für die unterschiedlichen Ernährungsformen, speziell für die zahlenmäßig bedeutendsten Formen „Halal“ und das damit weitläufig verwandte „Koscher“. Dabei können nur die wesentlichen Grundlagen erläutert werden.
Muslime unterscheiden halal und haram
Mindestens 3,4 Millionen Menschen islamischen Glaubens leben derzeit in der Bundesrepublik Deutschland, Tendenz steigend. Die Zahl beruht auf einer Schätzung des Zentralrats der Muslime in Köln. Wie viele dieser Bürger sich nach den Regeln des Halal ernähren, ist nicht bekannt. Kizil Kaya, Vorsitzender des Islamrats, geht von 70 Prozent aus – vorausgesetzt, entsprechende Produkte wie geschächtetes Fleisch sind verfügbar. Gläubige Muslime folgen beim Essen bestimmten Regeln, die aus dem Koran stammen, man spricht von den „Halal“-Regeln. Übersetzt bedeutet das soviel wie: „das Zulässige, das Erlaubte“. Im Koran kann man nachlesen, welche Grundanweisungen Allah seinen Gläubigen in Bezug auf Essen und Trinken gibt. Danach sind verboten: „Krepiertes und Blut und Schweinefleisch und das, was einem anderen als Allah geopfert wurde“ (Sure 2, Vers 172, Vers 173).
Warum Schweinefleisch verboten ist, lässt sich nicht in einem Satz beantworten. Als Argument wird zum einen angeführt, dass Schweine als Allesfresser (und damit Fleischfresser) unrein seien. In anderen Quellen aber wird argumentiert, Schweine seien dem Menschen zu ähnlich, um sie zu töten und zu essen. Wie es auch sei, Schweinefleisch und Produkte, in denen Schweinefleisch verarbeitet ist, sind tabu. Das betrifft demnach einen großen Teil der bei uns erhältlichen Wurstwaren, aber auch viele Fertiggerichte (z.B. Eintöpfe) und gekühlte Produkte (z.B. einige gefüllte Teigwaren). Solche Erzeugnisse gelten nach den Regeln des Islam als „haram“, also als verboten.
Natürlich kann man nicht alle Bürger islamischen Glaubens über einen Kamm scheren: Manche befolgen jeden Buchstaben des Koran, andere legen die Ge- und Verbote weniger streng aus. Für die Mehrheit der Muslime dürfte der Verzicht auf Schweinefleisch höchste Priorität haben. Im Koran steht außerdem, dass Allah barmherzig ist: „Wenn jemand durch Notwendigkeit gezwungen ist, zu essen, nicht aus Verlangen oder Übertretung, dann ist keine Sünde auf ihm, Allah ist vergebend, barmherzig.“
Gelatine kann problematisch sein
Für Muslime, die die Vorschriften strikt befolgen, ist auch Gelatine vom Schwein verboten. Diese befindet sich oft in Süßwaren wie Gummibärchen, Lakritz, Marsh mellows oder Kaugummi. Die Hersteller dieser Zuckerware geben aber in der Regel auf ihrer Internetseite an, ob und welche ihrer Erzeugnisse für Muslime unbedenklich sind. Gelatine ist außerdem in zahlreichen Molkereiprodukten und Desserts enthalten (Joghurt, Wackelpudding). Als Alternative zur Verarbeitung in der Küche bietet sich für diese Personen Gelatine auf Fisch- oder Rinderbasis an oder andere Verdickungsmittel wie Agar-Agar oder Reismehl.
Prüfsiegel helfen bei der Orientierung
Auf einigen Produkten findet man das entsprechende Logo der Zertifizierungsstelle Halal control e.K. Das Institut prüft Erzeugnisse und vergibt dieses Halal-Siegel.
Strikt verboten ist im Islam das Trinken von Blut. Daraus ergibt sich, dass Wurstwaren wie Blutwurst oder Pasteten bei Muslimen nicht auf dem Einkaufszettel stehen.
Das Fleisch anderer Tiere ist erlaubt, allerdings nur, wenn sie geschächtet worden sind. Schächten ist eine besondere Form des Schlachtens, wobei das Tier vorher nicht betäubt wird. Die Betäubung ist im Islam verboten, weil das Tier währenddessen sterben könnte (und dann „krepiert“ wäre, damit nicht mehr essbar wäre). In Deutschland ist Schächten grundsätzlich nicht erlaubt, allerdings gibt es Ausnahme-Genehmigungen für muslimische Metzger.
Beim Schächten (in der Regel im Ausland wie Niederlande, Belgien, Frankreich, Dänemark) muss sich der Metzger an bestimmte Regeln halten, denn die Tiere sollen schnell und schmerzfrei getötet werden. Er schneidet dem Tier mit einem scharfen Instrument die Kehle durch und lässt es komplett ausbluten. Bei dem Vorgang muss der Name Allahs genannt werden (der Metzger bittet Allah so um die Erlaubnis, das Tier schächten zu dürfen). Die Befürworter des Schächtens sind der Auffassung, dass die Tiere so auf die schnellste und am wenigsten schmerzhafte Art sterben. Die Kritiker widersprechen dem und führen Aspekte des Tierschutzes ins Feld. Ohne Einmischung in diese Diskussion: Schächten ist bei uns nach geltendem Recht verboten. Es ist aber vollkommen legal, im Ausland geschächtetes Fleisch zu importieren und zu verarbeiten. Zahlreiche weitere Lebensmittel sind für streng gläubige Muslime tabu: Nicht erlaubt sind tierische Fette (außer Butter), alle Arten von Alkohol, zudem verschiedene Emulgatoren und Aromastoffe. Ein Blick aufs Etikett der Produkte ist also unerlässlich!
Herstellung von Convenience-Produkten
Der Kauf von Frischfleisch stellt gläubige Muslime oft vor Probleme. Schließlich müssen sie sicher sein, dass das Fleisch von Tieren stammt, die nach den geltenden Regeln geschlachtet worden sind. Als Einkaufsstätte kommt dann nur der muslimische Metzger in Frage, den es in vielen deutschen Ballungszentren gibt. Verarbeitete Produkte stellen den Muslim vor Probleme, und das nicht nur wegen des Fleischs. Er kann zudem kaum nachvollziehen, ob wirklich nur „erlaubte“ Zutaten und Hilfsstoffe verarbeitet wurden.
Info
Zuckerwaren wie Gummibärchen enthalten oftmals Gelatine (vom Schwein) und können daher problematisch sein. Erlaubt ist Gelatine auf Fisch- oder Rinderbasis.
Gleichzeitig aber wächst – wie überall in der Bevölkerung – der Wunsch nach Convenience-Produkten für die schnelle Küche. In jüngster Zeit gibt es immer mehr Tiefkühl-Produkte, die den Regeln des Halal entsprechen. Bis vor einigen Jahren wurden solche Produkte in erster Linie über von Türken betriebene Geschäfte verkauft, doch mittlerweile haben sie sich auch im Lebensmittelhandel etabliert. In den Tiefkühltruhen sind beispielsweise zu finden: Burger, Frikadellen, Hähnchen-Nuggets, Cevapcici, Bratlinge, Würstchen, Pizza und Dönerfleisch – das Sortiment wächst.
Bei der Herstellung dieser Produkte ist sichergestellt, dass die einzelnen Zutaten ausnahmslos halal-zertifiziert sind. Wichtig ist außerdem, dass in den Produktionsräumen nur nach den Vorschriften des Islam gefertigt wird. Viele Muslime hätten auch Schwierigkeiten, wenn in einem Kutter erst eine Charge Halal-Fleisch und (selbst nach einer gründlichen Reinigung) anschließend anderes Fleisch verarbeitet würde. Deshalb haben sich diese Betriebe spezialisiert und verarbeiten nur entsprechende Zutaten.
Die Rückverfolgbarkeit der Ware spielt hierbei eine besondere Rolle. Bei der Anlieferung der Ware werden die Rohwaren auf Herkunft, Beschaffenheit und korrekte Temperatur überprüft und mit einem Strichcode versehen. So ist die Ware nicht nur während der Produktion, sondern bis zum Endprodukt eindeutig zu identifizieren.
Produkte, die gläubige Muslime ohne Bedenken verzehren können:
Frisches Obst
Frisches Gemüse
Hülsenfrüchte, Getreide, Reis, Grieß
Nudeln
Frischmilch
Frischer Fisch
Eier
Butter
rein pflanzliche Öle und Fette
Käse (aber ohne Zusatz von Kälberlab)
Brot (ohne Zusätze)
Wasser
Säfte (nur naturtrüb oder mit Halal-Zertifikat)
Tee (keine aromatisierten Tees)
Ayran
Kaffee
Joghurt (ohne Zusatz von Gelatine)
Fleisch (nur Rind, Geflügel, Schaf, Ziege, nach den Regeln des Halal geschächtet)
Gläubige Juden ernähren sich koscher
Auch für die jüdische Religionsgemeinschaft gelten besondere Ernährungs-Vorschriften. Laut deren Dachorganisation, dem Zentralrat der Juden, leben in Deutschland etwa 105.000 Mitglieder. Die größten Gemeinden befinden sich in Berlin, München und Frankfurt. Gläubige Juden essen „koscher“ (das heißt: rein, tauglich, geeignet).
Geregelt sind die Speisegesetze zunächst im Tanach (der hebräischen Bibel), anschließend im Talmud sowie im späteren rabbinischen Schriftentum. Darin wird nicht nur aufgezeigt, welche Lebensmittel gegessen werden können, sondern auch, wie sie zubereitet werden müssen.
Allgemein lassen sich koschere Lebensmittel in die drei Bereiche „fleischig“, „milchig“ und „neutral“ einteilen. Eine ganz entscheidende Grundregel: Milchprodukte und Fleisch dürfen niemals zusammen gegessen oder zubereitet werden, d.h. Rahmschnitzel sind genauso verboten wie Cheese-Burger.
Damit nicht genug, werden in koscheren Haushalten Milch und Fleisch in getrennten Kühlräumen aufbewahrt, in verschiedenen Töpfen zubereitet. Auch wird von unterschiedlichem Geschirr gegessen und separat gespült.
Wie die Muslime, essen auch die (orthodoxen) Juden nur geschächtete Tiere – Schwein ist absolut tabu. Es ist lediglich der Verzehr von Säugetieren erlaubt, die zweigespaltete Hufe haben UND Wiederkäuer sind – also Rind, Schaf, Ziege, aber auch Geflügel (jedoch keine Raubvögel). Unter strenger Aufsicht werden nur gesunde Tiere geschächtet. Fett- und Talgschichten rund um Pansen, Magen, Nieren und weiteren Innereien werden herausgeschnitten, ebenso der Nerven- und Sehnenteil am Hüftgelenk (Ischiasnerv). Ist das Tier ausgeblutet und noch einmal auf seinen Gesundheitszustand untersucht worden, wird das Fleisch gesalzen, eine Zeit lang ruhen gelassen und dann mehrmals ausgewaschen. So wird sichergestellt, dass sich kein Blut mehr im Fleisch befindet.
Für die Zubereitung von Fleisch gilt: Niemals mit Butter (Milchprodukt!). Bei der Herstellung von Wurst muss auf die Zusatzstoffe geachtet werden. Nicht erlaubt sind tierische Fette, bestimmte Emulgatoren und Farbstoffe sowie Gelatine aus Schweinefleisch und anderen unkoscheren Tieren.
Weltweit führen Markenartikler entsprechende Produkte im Portfolio, die durch Rabbiner regelmäßig kontrolliert und entsprechend zertifiziert sind. An diesen Zertifizierungen auf den Verpackungen erkennt der Verbraucher koschere Produkte. Da es allerdings je nach Grad der Orthodoxie auch verschiedene Grade von Gesetzen gibt, existiert auch eine Vielzahl von Stempeln. Einer der ältesten und bekanntesten ist das eingekreiste „U“ der Orthodox Union (UO), einer Dachorganisation jüdisch orthodoxer Gemeinden in den USA.
Tipps für den Handel
Ob es im Handel sinnvoll ist, sich mit religiösen Ernährungsgewohnheiten zu beschäftigen, hängt in erster Linie vom Standort des Geschäftes ab. So leben beispielsweise in bestimmten Stadtteilen von Köln, Berlin und im Ruhrgebiet viele Bürger muslimischen Glaubens – das weiß der Händler vor Ort selbst am besten. Diese Kunden bevorzugen als Einkaufsstätte häufig den „türkischen Händler um die Ecke“ (wobei türkisch ebenso durch andere Nationalitäten wie marokkanisch oder iranisch etc. ersetzt werden kann). Kaufleute, die diese Kunden stärker an ihr Geschäft binden wollen, sollten sich mit den Essgewohnheiten auseinandersetzen. Wer in solchen Zentren lebt, beschäftigt in der Regel auch Mitarbeiter, die diesen Religionen angehören – und kommt somit zwangsläufig mit den „fremden“ Kulturen in Berührung.
Koscher ist in den USA ein bedeutender Markt
Neben Fleisch spielen Milchprodukte und Käse eine wichtige Rolle. Koschere Milch stammt selbstredend von koscheren Tieren. Entsprechende Milchprodukte dürfen sich nur dann „Chalaw Jisrael“ nennen, wenn die Gewinnung – vom Melken bis zur Flaschenbefüllung – durch jüdische Aufsichtspersonen überwacht wird. Wo dies nicht möglich ist, erlauben religiöse Autoritäten auch normale handelsübliche Milch – wenn deren Reinheit durch staatliche Gesetze gewährleistet ist. Dies ist in Deutschland der Fall, diese Milch nennt man dann „Chalaw Akkum“. Beim Käse wird natürliches Lab (das zur Gerinnung der Milch nötig ist und aus dem nicht-koscheren Magen eines Wiederkäuers stammt) durch vegetarische Lab-Ersatzprodukte hergestellt (mit ein Grund, warum Vegetarier gerne zu koscherem Käse greifen). An dieser Stelle sei angemerkt, dass in Ländern wie den USA koschere Lebensmittel auch bei Nicht-Juden ein riesiger Markt sind, gelten sie doch als gesund.
Auch frischer Fisch steht auf dem Speiseplan. Hier ist nur der Genuss von Tieren erlaubt, die (leicht entfernbare) sichtbare Schuppen und Flossen haben. Verboten sind folglich beispielsweise Aal, Hai oder Stör, aber auch sämtliche Schalentiere (Hummer, Krebse…). Fisch gehört wie Obst und Gemüse, Pflanzenöl, Pflanzenmargarine und Eier zu den neutralen Lebensmitteln, da sie weder Fleisch noch Milchprodukte enthalten.
Sehr streng sind die Vorschriften wiederum beim Wein, der von Juden seit biblischen Zeiten getrunken wird und an Feiertagen rituelle Funktionen hat. So dürfen Trauben nur von Rebstöcken geerntet werden, die mindestens vier Jahre alt sind. Im Weinberg dürfen sich keine anderen Pflanzen befinden (Verbot der Mischkulturen). Bei der Herstellung bringen nur die auf der Schale befindlichen Bakterien die Fermentation in Gange, Enzyme und Bakterien dürfen nicht zugefügt werden. Die Flaschen dürfen nur einmal befüllt werden. Hinzu kommt: Um koscher zu sein, müssen die Trauben unter religiöser Aufsicht verarbeitet worden sein – und zwar nur von Juden. Qualitativ hochstehende, koschere Weine gibt es aus Kalifornien, Israel, Frankreich, aber auch anderen Ländern wie Österreich. Auch Obst- und Kornschnäpse sind erlaubt.
Wissen checken
Wer diese Warenverkaufskunde aufmerksam gelesen hat, kann leicht die folgenden Fragen beantworten.
Nennen Sie drei Nahrungsmittel, die gläubige Muslime nicht verzehren!
Was versteht man unter Schächten?
Darf in Deutschland geschächtet werden?
Was sagt der Ausdruck „koscher“?
In welche drei Bereiche lässt sich koschere Nahrung einteilen?
Die Warenverkaufskunde erscheint regelmäßig als Sonderteil im Magazin Lebensmittel Praxis. Wir danken dem Zentralrat der Muslime (Köln), der Mekkafood Halal Products (Nettetal-Kaldenkirchen) und dem Feinkosthandel Danel (München) für den fachlichen Rat.
Immer mehr Lebensmittel sind halal. Was das bedeutet, wissen meist nur diejenigen, die es betrifft, eben die Muslime. Händler, die Kunden für sie fremder Religionen optimal bedienen wollen, sollten aber wissen, was ihre Kunden essen dürfen und was nicht. Ein Überblick über die Regeln der Muslime (halal) und Juden (koscher). Heidrun Mittler und Elke Häberle
In der Woche vor Ostern und speziell an Karfreitag essen gläubige Christen kein Fleisch, sondern allenfalls Fisch. Erwachsene Muslime hingegen verzehren während ihrer Fastenzeit – dem Ramadan – überhaupt nichts, und das von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Gläubige Buddhisten ernähren sich möglichst einfach und meistens vegetarisch. Schon diese drei Beispiele verdeutlichen, dass jede Religion bestimmte Bräuche und Vorschriften hat, die den Mitgliedern der anderen Weltreligionen aber weitgehend fremd sind.
Wirtschaftliche Bedeutung bekommt die Zugehörigkeit zu einer Religion spätestens in dem Moment, in dem ein Händler gläubige Muslime oder Juden zu seinem Kundenkreis zählt (oder die Absicht hat, diese Kunden besser zu bedienen). Dass man einem Muslim kein Schweinfleisch verkaufen kann, dürfte in unserem Kulturkreis bekannt sein. Aber wie steht es um Fleisch von anderen Tieren oder gar Wurstwaren?
Diese Warenverkaufskunde möchte Verständnis wecken für die unterschiedlichen Ernährungsformen, speziell für die zahlenmäßig bedeutendsten Formen „Halal“ und das damit weitläufig verwandte „Koscher“. Dabei können nur die wesentlichen Grundlagen erläutert werden.
Muslime unterscheiden halal und haram
Mindestens 3,4 Millionen Menschen islamischen Glaubens leben derzeit in der Bundesrepublik Deutschland, Tendenz steigend. Die Zahl beruht auf einer Schätzung des Zentralrats der Muslime in Köln. Wie viele dieser Bürger sich nach den Regeln des Halal ernähren, ist nicht bekannt. Kizil Kaya, Vorsitzender des Islamrats, geht von 70 Prozent aus – vorausgesetzt, entsprechende Produkte wie geschächtetes Fleisch sind verfügbar. Gläubige Muslime folgen beim Essen bestimmten Regeln, die aus dem Koran stammen, man spricht von den „Halal“-Regeln. Übersetzt bedeutet das soviel wie: „das Zulässige, das Erlaubte“. Im Koran kann man nachlesen, welche Grundanweisungen Allah seinen Gläubigen in Bezug auf Essen und Trinken gibt. Danach sind verboten: „Krepiertes und Blut und Schweinefleisch und das, was einem anderen als Allah geopfert wurde“ (Sure 2, Vers 172, Vers 173).
Warum Schweinefleisch verboten ist, lässt sich nicht in einem Satz beantworten. Als Argument wird zum einen angeführt, dass Schweine als Allesfresser (und damit Fleischfresser) unrein seien. In anderen Quellen aber wird argumentiert, Schweine seien dem Menschen zu ähnlich, um sie zu töten und zu essen. Wie es auch sei, Schweinefleisch und Produkte, in denen Schweinefleisch verarbeitet ist, sind tabu. Das betrifft demnach einen großen Teil der bei uns erhältlichen Wurstwaren, aber auch viele Fertiggerichte (z.B. Eintöpfe) und gekühlte Produkte (z.B. einige gefüllte Teigwaren). Solche Erzeugnisse gelten nach den Regeln des Islam als „haram“, also als verboten.
Natürlich kann man nicht alle Bürger islamischen Glaubens über einen Kamm scheren: Manche befolgen jeden Buchstaben des Koran, andere legen die Ge- und Verbote weniger streng aus. Für die Mehrheit der Muslime dürfte der Verzicht auf Schweinefleisch höchste Priorität haben. Im Koran steht außerdem, dass Allah barmherzig ist: „Wenn jemand durch Notwendigkeit gezwungen ist, zu essen, nicht aus Verlangen oder Übertretung, dann ist keine Sünde auf ihm, Allah ist vergebend, barmherzig.“
Gelatine kann problematisch sein
Für Muslime, die die Vorschriften strikt befolgen, ist auch Gelatine vom Schwein verboten. Diese befindet sich oft in Süßwaren wie Gummibärchen, Lakritz, Marsh mellows oder Kaugummi. Die Hersteller dieser Zuckerware geben aber in der Regel auf ihrer Internetseite an, ob und welche ihrer Erzeugnisse für Muslime unbedenklich sind. Gelatine ist außerdem in zahlreichen Molkereiprodukten und Desserts enthalten (Joghurt, Wackelpudding). Als Alternative zur Verarbeitung in der Küche bietet sich für diese Personen Gelatine auf Fisch- oder Rinderbasis an oder andere Verdickungsmittel wie Agar-Agar oder Reismehl.
Auf einigen Produkten findet man das entsprechende Logo der Zertifizierungsstelle Halal control e.K. Das Institut prüft Erzeugnisse und vergibt dieses Halal-Siegel.
Strikt verboten ist im Islam das Trinken von Blut. Daraus ergibt sich, dass Wurstwaren wie Blutwurst oder Pasteten bei Muslimen nicht auf dem Einkaufszettel stehen.
Das Fleisch anderer Tiere ist erlaubt, allerdings nur, wenn sie geschächtet worden sind. Schächten ist eine besondere Form des Schlachtens, wobei das Tier vorher nicht betäubt wird. Die Betäubung ist im Islam verboten, weil das Tier währenddessen sterben könnte (und dann „krepiert“ wäre, damit nicht mehr essbar wäre). In Deutschland ist Schächten grundsätzlich nicht erlaubt, allerdings gibt es Ausnahme-Genehmigungen für muslimische Metzger.
Beim Schächten (in der Regel im Ausland wie Niederlande, Belgien, Frankreich, Dänemark) muss sich der Metzger an bestimmte Regeln halten, denn die Tiere sollen schnell und schmerzfrei getötet werden. Er schneidet dem Tier mit einem scharfen Instrument die Kehle durch und lässt es komplett ausbluten. Bei dem Vorgang muss der Name Allahs genannt werden (der Metzger bittet Allah so um die Erlaubnis, das Tier schächten zu dürfen). Die Befürworter des Schächtens sind der Auffassung, dass die Tiere so auf die schnellste und am wenigsten schmerzhafte Art sterben. Die Kritiker widersprechen dem und führen Aspekte des Tierschutzes ins Feld. Ohne Einmischung in diese Diskussion: Schächten ist bei uns nach geltendem Recht verboten. Es ist aber vollkommen legal, im Ausland geschächtetes Fleisch zu importieren und zu verarbeiten. Zahlreiche weitere Lebensmittel sind für streng gläubige Muslime tabu: Nicht erlaubt sind tierische Fette (außer Butter), alle Arten von Alkohol, zudem verschiedene Emulgatoren und Aromastoffe. Ein Blick aufs Etikett der Produkte ist also unerlässlich!
Herstellung von Convenience-Produkten
Der Kauf von Frischfleisch stellt gläubige Muslime oft vor Probleme. Schließlich müssen sie sicher sein, dass das Fleisch von Tieren stammt, die nach den geltenden Regeln geschlachtet worden sind. Als Einkaufsstätte kommt dann nur der muslimische Metzger in Frage, den es in vielen deutschen Ballungszentren gibt. Verarbeitete Produkte stellen den Muslim vor Probleme, und das nicht nur wegen des Fleischs. Er kann zudem kaum nachvollziehen, ob wirklich nur „erlaubte“ Zutaten und Hilfsstoffe verarbeitet wurden.
Zuckerwaren wie Gummibärchen enthalten oftmals Gelatine (vom Schwein) und können daher problematisch sein. Erlaubt ist Gelatine auf Fisch- oder Rinderbasis.
Gleichzeitig aber wächst – wie überall in der Bevölkerung – der Wunsch nach Convenience-Produkten für die schnelle Küche. In jüngster Zeit gibt es immer mehr Tiefkühl-Produkte, die den Regeln des Halal entsprechen. Bis vor einigen Jahren wurden solche Produkte in erster Linie über von Türken betriebene Geschäfte verkauft, doch mittlerweile haben sie sich auch im Lebensmittelhandel etabliert. In den Tiefkühltruhen sind beispielsweise zu finden: Burger, Frikadellen, Hähnchen-Nuggets, Cevapcici, Bratlinge, Würstchen, Pizza und Dönerfleisch – das Sortiment wächst.
Bei der Herstellung dieser Produkte ist sichergestellt, dass die einzelnen Zutaten ausnahmslos halal-zertifiziert sind. Wichtig ist außerdem, dass in den Produktionsräumen nur nach den Vorschriften des Islam gefertigt wird. Viele Muslime hätten auch Schwierigkeiten, wenn in einem Kutter erst eine Charge Halal-Fleisch und (selbst nach einer gründlichen Reinigung) anschließend anderes Fleisch verarbeitet würde. Deshalb haben sich diese Betriebe spezialisiert und verarbeiten nur entsprechende Zutaten.
Die Rückverfolgbarkeit der Ware spielt hierbei eine besondere Rolle. Bei der Anlieferung der Ware werden die Rohwaren auf Herkunft, Beschaffenheit und korrekte Temperatur überprüft und mit einem Strichcode versehen. So ist die Ware nicht nur während der Produktion, sondern bis zum Endprodukt eindeutig zu identifizieren.
Produkte, die gläubige Muslime ohne Bedenken verzehren können:
Gläubige Juden ernähren sich koscher
Auch für die jüdische Religionsgemeinschaft gelten besondere Ernährungs-Vorschriften. Laut deren Dachorganisation, dem Zentralrat der Juden, leben in Deutschland etwa 105.000 Mitglieder. Die größten Gemeinden befinden sich in Berlin, München und Frankfurt. Gläubige Juden essen „koscher“ (das heißt: rein, tauglich, geeignet).
Geregelt sind die Speisegesetze zunächst im Tanach (der hebräischen Bibel), anschließend im Talmud sowie im späteren rabbinischen Schriftentum. Darin wird nicht nur aufgezeigt, welche Lebensmittel gegessen werden können, sondern auch, wie sie zubereitet werden müssen.
Allgemein lassen sich koschere Lebensmittel in die drei Bereiche „fleischig“, „milchig“ und „neutral“ einteilen. Eine ganz entscheidende Grundregel: Milchprodukte und Fleisch dürfen niemals zusammen gegessen oder zubereitet werden, d.h. Rahmschnitzel sind genauso verboten wie Cheese-Burger.
Damit nicht genug, werden in koscheren Haushalten Milch und Fleisch in getrennten Kühlräumen aufbewahrt, in verschiedenen Töpfen zubereitet. Auch wird von unterschiedlichem Geschirr gegessen und separat gespült.
Wie die Muslime, essen auch die (orthodoxen) Juden nur geschächtete Tiere – Schwein ist absolut tabu. Es ist lediglich der Verzehr von Säugetieren erlaubt, die zweigespaltete Hufe haben UND Wiederkäuer sind – also Rind, Schaf, Ziege, aber auch Geflügel (jedoch keine Raubvögel). Unter strenger Aufsicht werden nur gesunde Tiere geschächtet. Fett- und Talgschichten rund um Pansen, Magen, Nieren und weiteren Innereien werden herausgeschnitten, ebenso der Nerven- und Sehnenteil am Hüftgelenk (Ischiasnerv). Ist das Tier ausgeblutet und noch einmal auf seinen Gesundheitszustand untersucht worden, wird das Fleisch gesalzen, eine Zeit lang ruhen gelassen und dann mehrmals ausgewaschen. So wird sichergestellt, dass sich kein Blut mehr im Fleisch befindet.
Für die Zubereitung von Fleisch gilt: Niemals mit Butter (Milchprodukt!). Bei der Herstellung von Wurst muss auf die Zusatzstoffe geachtet werden. Nicht erlaubt sind tierische Fette, bestimmte Emulgatoren und Farbstoffe sowie Gelatine aus Schweinefleisch und anderen unkoscheren Tieren.
Weltweit führen Markenartikler entsprechende Produkte im Portfolio, die durch Rabbiner regelmäßig kontrolliert und entsprechend zertifiziert sind. An diesen Zertifizierungen auf den Verpackungen erkennt der Verbraucher koschere Produkte. Da es allerdings je nach Grad der Orthodoxie auch verschiedene Grade von Gesetzen gibt, existiert auch eine Vielzahl von Stempeln. Einer der ältesten und bekanntesten ist das eingekreiste „U“ der Orthodox Union (UO), einer Dachorganisation jüdisch orthodoxer Gemeinden in den USA.
Ob es im Handel sinnvoll ist, sich mit religiösen Ernährungsgewohnheiten zu beschäftigen, hängt in erster Linie vom Standort des Geschäftes ab. So leben beispielsweise in bestimmten Stadtteilen von Köln, Berlin und im Ruhrgebiet viele Bürger muslimischen Glaubens – das weiß der Händler vor Ort selbst am besten. Diese Kunden bevorzugen als Einkaufsstätte häufig den „türkischen Händler um die Ecke“ (wobei türkisch ebenso durch andere Nationalitäten wie marokkanisch oder iranisch etc. ersetzt werden kann). Kaufleute, die diese Kunden stärker an ihr Geschäft binden wollen, sollten sich mit den Essgewohnheiten auseinandersetzen. Wer in solchen Zentren lebt, beschäftigt in der Regel auch Mitarbeiter, die diesen Religionen angehören – und kommt somit zwangsläufig mit den „fremden“ Kulturen in Berührung.
Koscher ist in den USA ein bedeutender Markt
Neben Fleisch spielen Milchprodukte und Käse eine wichtige Rolle. Koschere Milch stammt selbstredend von koscheren Tieren. Entsprechende Milchprodukte dürfen sich nur dann „Chalaw Jisrael“ nennen, wenn die Gewinnung – vom Melken bis zur Flaschenbefüllung – durch jüdische Aufsichtspersonen überwacht wird. Wo dies nicht möglich ist, erlauben religiöse Autoritäten auch normale handelsübliche Milch – wenn deren Reinheit durch staatliche Gesetze gewährleistet ist. Dies ist in Deutschland der Fall, diese Milch nennt man dann „Chalaw Akkum“. Beim Käse wird natürliches Lab (das zur Gerinnung der Milch nötig ist und aus dem nicht-koscheren Magen eines Wiederkäuers stammt) durch vegetarische Lab-Ersatzprodukte hergestellt (mit ein Grund, warum Vegetarier gerne zu koscherem Käse greifen). An dieser Stelle sei angemerkt, dass in Ländern wie den USA koschere Lebensmittel auch bei Nicht-Juden ein riesiger Markt sind, gelten sie doch als gesund.
Auch frischer Fisch steht auf dem Speiseplan. Hier ist nur der Genuss von Tieren erlaubt, die (leicht entfernbare) sichtbare Schuppen und Flossen haben. Verboten sind folglich beispielsweise Aal, Hai oder Stör, aber auch sämtliche Schalentiere (Hummer, Krebse…). Fisch gehört wie Obst und Gemüse, Pflanzenöl, Pflanzenmargarine und Eier zu den neutralen Lebensmitteln, da sie weder Fleisch noch Milchprodukte enthalten.
Sehr streng sind die Vorschriften wiederum beim Wein, der von Juden seit biblischen Zeiten getrunken wird und an Feiertagen rituelle Funktionen hat. So dürfen Trauben nur von Rebstöcken geerntet werden, die mindestens vier Jahre alt sind. Im Weinberg dürfen sich keine anderen Pflanzen befinden (Verbot der Mischkulturen). Bei der Herstellung bringen nur die auf der Schale befindlichen Bakterien die Fermentation in Gange, Enzyme und Bakterien dürfen nicht zugefügt werden. Die Flaschen dürfen nur einmal befüllt werden. Hinzu kommt: Um koscher zu sein, müssen die Trauben unter religiöser Aufsicht verarbeitet worden sein – und zwar nur von Juden. Qualitativ hochstehende, koschere Weine gibt es aus Kalifornien, Israel, Frankreich, aber auch anderen Ländern wie Österreich. Auch Obst- und Kornschnäpse sind erlaubt.
Wissen checken
Wer diese Warenverkaufskunde aufmerksam gelesen hat, kann leicht die folgenden Fragen beantworten.
- Nennen Sie drei Nahrungsmittel, die gläubige Muslime nicht verzehren!
- Was versteht man unter Schächten?
- Darf in Deutschland geschächtet werden?
- Was sagt der Ausdruck „koscher“?
- In welche drei Bereiche lässt sich koschere Nahrung einteilen?
Antworten zeigen- Schweinefleisch, Blutwurst, Spirituosen.
- Schächten ist eine spezielle Form des Schlachtens, bei der die Tiere nicht betäubt werden.
- Grundsätzlich nicht, aber es gibt Ausnahme-Genehmigungen für muslimische Metzger.
- Koscher ist wichtig für die Ernährung von strenggläubigen Juden. Der Begriff bezeichnet die Produkte, die in dieser Religion verzehrt werden dürfen.
- Fleischig, milchig und neutral.
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