Sebastian Koeppel, Geschäftsführer von Beckers Bester, spricht im LP-Interview über das turbulente Jahr 2017, steigende Saft-Preise, die Chancen einer transparenten Kommunikation mit den Kunden und warum er die Nährwertampel strikt ablehnt. Tobias Dünnebacke
Herr
Koeppel, der Handel schluckt immer mehr produzierende Unternehmen. Gab es für
Beckers Bester auch schon ein Übernahmeangebot?
Sebastian
Koeppel: Es gab bisher von keinem Händler ein
offizielles Angebot zur Übernahme und da bin ich auch nicht böse drum (lacht).
Aber
die „Vertikalisierung des Handels“ nimmt an Fahrt auf. Bereitet Ihnen das als
mittelständisches Familienunternehmen Sorge?
Es
gibt kaum eine ehrlichere Marke als Beckers Bester, und wir sind mit unseren
Qualitäten perfekt aufgestellt, aber: wir müssen auch in das Regal kommen. Und
das wird immer schwieriger. Die Marke Albi gehört jetzt zu Edeka. Die
vermarkten ihre eigenen Produkte natürlich ganz anders. Heute sieht das Regal
häufig schon so aus, dass die Hälfte des Platzes für Eigenmarken reserviert
ist, die andere Hälfte wird teuer eingekauft, über WKZ und Listungsgebühren.
Das wird den Markt verändern. Ich glaube, in fünf Jahren wird es nur noch die Hälfte
der Fruchtsaft-Marken von heute geben. Diese Vertikalisierung ist also in der
Tat eine riesen Herausforderung.
Das
bedeutet, Sie beteiligen sich nicht an Werbekostenzuschüssen?
Da
spielen wir natürlich auch mit, aber nur im Rahmen einer Wertschöpfung. Wenn
ich bei einem Händler zu wenig verdiene, will ich da auch wieder raus. Unsere
Produk-te sind ihren Preis wert. Wir sind kein Großkonzern und wenn sich das
Geschäft nicht rentiert, machen wir das auch nicht. Es gibt Beziehungen, die
stehen auf dem Prüfstand. Aber, ich möchte auch nicht den Eindruck erwecken, zu
jammern. Beckers Bester geht es gut.
Beckers Bester zählte mal zur Champions League der Safthersteller. Der verpasste PETTrend machte dem Unternehmen aber zu schaffen. Seit 2007 steht Sebastian Koeppel an der Spitze. Er setzt auf neue Produkte, Designs und Transparenz.
Verraten Sie uns, was das heißt?
Wir
machen einen Umsatz von rund 50 Millionen Euro und setzen rund 60 Millionen
Einheiten ab. Seit 2016 konnten wir werthaltig und zweistellig wachsen. Der
Januar war großartig. Der Februar hat alles wieder aufgefressen, aber März und
April waren echt gut. Die Marke liegt über Vorjahr. Natürlich ist das auch ein
Albi-Effekt. Wir haben scheinbar von der Auslistung der Marke bei einigen
Händlern profitiert. Wir bekommen aber auch die Rückmeldung, dass unser Design
besser angenommen wird.
Das
klingt jetzt positiver als erwartet. Ende 2017 haben Sie noch die Preise wegen
der schlechten Ernte erhöht. Da hatte man schon Angst um Ihr Unternehmen.
Das
war auch eine existenzbedrohende Situation. Wir mussten die Kosten um 12 bis
sogar 60 Cent pro Liter erhöhen, da die Rohwarensituation etwa bei Apfel und
Kirsche so angespannt war. Wir haben sehr früh reagiert. Aus heutiger Sicht
vielleicht etwas zu früh, denn so konnten wir nur etwa 80 Prozent der
Kostensteigerungen weitergeben. Aber wir mussten handeln. Wir reden hier von
rund 400.000 Euro Mehrkosten im Monat. Das schaffen wir nur, weil wir eben
frühzeitig die Preise angepasst haben, unsere Kunden uns treu bleiben und der
Absatz nicht eingebrochen ist. Ich habe mich in dieser Situation vor die
Mitarbeiter gestellt und versprochen, dass ich niemanden aus Kostengründen
entlassen werde. Wir brauchen eh jeden Mann und suchen derzeit auch aktiv.
Sie
wollen sich jetzt mittels Crowd- Funding bis zu 700.00 Euro von privaten
Anlegern holen. Ist das eine Reaktion auf diese Situation?
Wir
planen das jetzt seit zwei Jahren. Da war an eine solche Situation noch gar
nicht zu denken. Das Crowd-Funding ist Teil einer ganzheitlichen
Neustrukturierung der Unternehmensfinanzierung. Es erfüllt zwei Zwecke. Zum
einen verbessert es durch seinen Nachrangcharakter die Finanzierungskennzahlen.
Zum anderen ist es ein nicht zu unterschätzendes Instrument zur Kundenbindung.
Die Privatpersonen, die in uns investieren, werden zu Markenbotschaftern. Wir
kommen in einen viel intensiveren Dialog mit ihnen als bei jedem anderen
Instrument.
Kurz vor dem Ernte-Desaster haben Sie auch Ihren Marken-Auftritt neu gestaltet. Was wollen Sie damit erreichen?
Wir erklären auf unseren Produkten, was wir konkret beispielsweise gegen das Bienensterben machen. Dass wir CO2-neutral arbeiten, unsere Abwässer selber reinigen und mehr. Der neue Auftritt kam überwiegend gut an, mit Ausnahme von ein paar älteren Herrschaften, die es nicht mögen, wenn man sie auf der Verpackung mit „Du“ anspricht. Dass wir auf dem Etikett mit unseren Kunden kommunizieren und die Preiserhöhung dort erklären, machen wir auch, um möglichen Druck vom Händler zu nehmen. Wir sagen: Lieber Kunde, die Preiserhöhung ist unsere Entscheidung gewesen. Was der Handel am Ende daraus macht, liegt nicht in unserer Hand, aber er wurde letztlich durch uns zum Handeln gezwungen. Diese Offenheit und Transparenz kommt gut an.
Wie läuft es jetzt?
Wäre
die Ernte ein Jahr früher so ausgefallen, hätten wir nicht überlebt. Aber der
Absatz ist glücklicherweise durch die Erhöhung nicht eingebrochen. Trotzdem:
Gerade als sich das Unternehmen erholen konnte, schlugen die Rohwarenpreise
voll durch. Wie wir damit umgehen, ist einmalig. Ich hoffe, das wird belohnt.
Ebenfalls
im Sommer 2017 kam der große „Saftschwindel“ auf Sie zu. Foodwatch beschuldigte
Sie der Verbrauchertäuschung. Was lernt man aus einer solchen Erfahrung?
Das
hat viel Substanz gekostet. Uns wurde unterstellt, den Kunden unseren
Kirschnektar als Saft zu verkaufen, da die Bezeichnung „Nektar“ nur auf der
Rückseite zu finden war. Generell finde ich konstruktive Kritik ja gut. Dass
man sagt, das könnte falsch verstanden werden. Dass man aber gerade uns
unterstellt, den Verbraucher bewusst zu täuschen und uns dann nicht mal die
Chance einer Reaktion gibt, ist eine Sauerei. Ich versuche aber, die Leute
immer herzlich zu behandeln, egal wie sie mich angehen. Mit Foodwatch entstand
dann auch eine offene Kommunikation. Aber ab einem gewissen Punkt prallen dann
doch unterschiedliche Ideologien aufeinander. Jedenfalls hatten wir hier in
Lütgenrode einen sehr konstruktiven Termin. Was viele Menschen aber nicht so
wahrnehmen ist, dass Foodwatch selbst einem enormen wirtschaftlichen Druck unterliegt
und spannende Geschichten braucht.
Was
ist aus der Sache geworden?
Wir
haben selbst eine Umfrage gestartet. War unsere Auslobung des Begriffs „Nektar“
irreführend? Ist es okay, ein schönes, aufgeräumtes Vorderetikett zu haben und
die Details dann auf der Rückseite? Das Ergebnis fiel sehr knapp aus, aber am
Ende haben wir das Wort „Nektar“ und den Fruchtanteil auf die Vorderseite
geholt, da die einen Kunden es sich wünschen und die meisten anderen nichts
dagegen haben.
Um im
kompetitiven Markt zu bestehen setzen Sie auch auf Lohnabfüllungen. Wie wichtig
ist das Geschäft mittlerweile für Sie?
Umsatzmäßig
sind Lohnabfüllung und Marke mittlerweile etwa gleich groß. Wir sind einer der
größten Lohnabfüller im Bio-Bereich mit langjähriger Erfahrung und Kompetenz
beim Einkauf. Wir machen Eigenmarken für beispielsweise Tegut und Hofgut. Da
geht es um hochwertige Produkte, die zu uns und unserem Portfolio passen.
Außerdem füllen wir Nischenprodukte wie Birken- oder Kokoswasser ab.
Eine
Auffälligkeit ist die Premium- Range mit sortenreinen Direktsäften. Ein gutes
Geschäft?
Ein
Nischengeschäft. Wir verkaufen die Säfte ab 3,49 Euro je 0,7-Liter- Flasche.
Das muss man schon erklären. Da braucht es den selbstständigen und engagierten
Händler. Die Gestaltung, die wir selbst hier im Haus entworfen haben, erinnert
ein wenig an Wein, was im Markt noch ein Problem ist. Unser Vorteil: Wir können
dem Handel auch kleine Chargen liefern. Die Mindestabnahme ist 18 Flaschen.
Neuer
Ärger droht Ihnen jetzt beim großen Thema Zucker. Der Fruchtsaft hat schon seit
Jahren seine einstige Unschuld als gesundes Getränk verloren. Wie schätzen Sie
die aktuelle Diskussion ein?
Saft
ist ein Genussmittel und kann in einer ausgewogenen, gesunden Ernährung seine
Rolle spielen. Es ist sinnvoll, eine Portion Obst am Tag durch Saft zu
ersetzen. Alles andere ist Polemik. Heute gibt es Kunden, die sagen, sie
könnten ohne schlechtes Gewissen keinen Saft mehr trinken. Da hört es dann auf.
Aber zur Transparenz gehört auch, zu sagen, dass wir auch Zucker zusetzen. Beim
Nektar beispielsweise. Das ist aber auch notwendig, denn ein 100 Prozentiger
Maracujasaft ist völlig ungenießbar. Aber das verstehen schon einige der selbst
ernannten Ernährungsberater nicht. Saft bringt viele positive Eigenschaften mit
sich.
Es
gibt aber Probleme, denen sich die Ernährungsindustrie früher oder später
konstruktiv stellen muss. Was halten Sie von der Ampel, die jetzt wieder im
Raum steht?
Ich
bin ein großer Ampelgegner. Ich möchte den Menschen als mündiges Wesen betrachten.
Ernährung ist so komplex, es gibt Tausend verschiedene Theorien dazu und jetzt
wollen wir das in drei Farben packen? Viel wichtiger wäre es dafür zu sorgen,
endlich eine wertfreie Bildung zu dem Thema in den Schulen zu garantieren.
Wie
halten Sie es persönlich mit der Ernährung?
Ich
lebe nach der Maxime „Ernähre dich ausgewogen und nimm nicht mehr Kalorien zu
dir als du verbrennst“. Ich habe einen zwei Jahre alten Sohn, der seinen Saft
mit Wasser verdünnt trinkt. Ich selbst habe mein ganzes Leben lang Saft
getrunken.
Ein
leidiges Thema in der Geschichte Ihres Unternehmens ist das Gebinde. Durch Ihre
Abneigung zu PET haben Sie einen Trend verschlafen.
Im
Zuge des so genannte „Dosenpfandes“ ist der Mehrweganteil bei Saft von 40
Prozent auf 6 Prozent eingebrochen. Viele haben damals gesagt: Saft wird
niemals in der PET Flasche erfolgreich und wir haben auf Mehrweg geschworen.
Das war ein strategischer Fehler.
Viel
später als der Wettbewerb sind Sie nachgezogen. Jetzt steigen Sie überraschend
wieder aus. Warum?
PET
steht für ein reines Massengebinde, für billig, Aktion und Handelsmarke. Das
passt nicht zu unserem Qualitäts-Anspruch. Auf der anderen Seite steht der
ökologische Aspekt. Jeder Deutsche produziert jährlich 37,4 Kilogramm Plastikmüll.
Die Meere verschmutzen immer stärker und Mensch und Tier werden immer mehr von
Mikroplastik in der Nahrung und im Wasser belastet. Wir setzen auf Glas und den
Karton als leichtes Gebinde ohne Bruchgefahr, das nicht nur ökologischer ist,
es ist auch schonender für das Produkt.
Sebastian Koeppel, Geschäftsführer von Beckers Bester, spricht im LP-Interview über das turbulente Jahr 2017, steigende Saft-Preise, die Chancen einer transparenten Kommunikation mit den Kunden und warum er die Nährwertampel strikt ablehnt. Tobias Dünnebacke
Herr Koeppel, der Handel schluckt immer mehr produzierende Unternehmen. Gab es für Beckers Bester auch schon ein Übernahmeangebot?
Sebastian Koeppel: Es gab bisher von keinem Händler ein offizielles Angebot zur Übernahme und da bin ich auch nicht böse drum (lacht).
Aber die „Vertikalisierung des Handels“ nimmt an Fahrt auf. Bereitet Ihnen das als mittelständisches Familienunternehmen Sorge?
Es gibt kaum eine ehrlichere Marke als Beckers Bester, und wir sind mit unseren Qualitäten perfekt aufgestellt, aber: wir müssen auch in das Regal kommen. Und das wird immer schwieriger. Die Marke Albi gehört jetzt zu Edeka. Die vermarkten ihre eigenen Produkte natürlich ganz anders. Heute sieht das Regal häufig schon so aus, dass die Hälfte des Platzes für Eigenmarken reserviert ist, die andere Hälfte wird teuer eingekauft, über WKZ und Listungsgebühren. Das wird den Markt verändern. Ich glaube, in fünf Jahren wird es nur noch die Hälfte der Fruchtsaft-Marken von heute geben. Diese Vertikalisierung ist also in der Tat eine riesen Herausforderung.
Das bedeutet, Sie beteiligen sich nicht an Werbekostenzuschüssen?
Da spielen wir natürlich auch mit, aber nur im Rahmen einer Wertschöpfung. Wenn ich bei einem Händler zu wenig verdiene, will ich da auch wieder raus. Unsere Produk-te sind ihren Preis wert. Wir sind kein Großkonzern und wenn sich das Geschäft nicht rentiert, machen wir das auch nicht. Es gibt Beziehungen, die stehen auf dem Prüfstand. Aber, ich möchte auch nicht den Eindruck erwecken, zu jammern. Beckers Bester geht es gut.
Verraten Sie uns, was das heißt?
Wir machen einen Umsatz von rund 50 Millionen Euro und setzen rund 60 Millionen Einheiten ab. Seit 2016 konnten wir werthaltig und zweistellig wachsen. Der Januar war großartig. Der Februar hat alles wieder aufgefressen, aber März und April waren echt gut. Die Marke liegt über Vorjahr. Natürlich ist das auch ein Albi-Effekt. Wir haben scheinbar von der Auslistung der Marke bei einigen Händlern profitiert. Wir bekommen aber auch die Rückmeldung, dass unser Design besser angenommen wird.
Das klingt jetzt positiver als erwartet. Ende 2017 haben Sie noch die Preise wegen der schlechten Ernte erhöht. Da hatte man schon Angst um Ihr Unternehmen.
Das war auch eine existenzbedrohende Situation. Wir mussten die Kosten um 12 bis sogar 60 Cent pro Liter erhöhen, da die Rohwarensituation etwa bei Apfel und Kirsche so angespannt war. Wir haben sehr früh reagiert. Aus heutiger Sicht vielleicht etwas zu früh, denn so konnten wir nur etwa 80 Prozent der Kostensteigerungen weitergeben. Aber wir mussten handeln. Wir reden hier von rund 400.000 Euro Mehrkosten im Monat. Das schaffen wir nur, weil wir eben frühzeitig die Preise angepasst haben, unsere Kunden uns treu bleiben und der Absatz nicht eingebrochen ist. Ich habe mich in dieser Situation vor die Mitarbeiter gestellt und versprochen, dass ich niemanden aus Kostengründen entlassen werde. Wir brauchen eh jeden Mann und suchen derzeit auch aktiv.
Sie wollen sich jetzt mittels Crowd- Funding bis zu 700.00 Euro von privaten Anlegern holen. Ist das eine Reaktion auf diese Situation?
Wir planen das jetzt seit zwei Jahren. Da war an eine solche Situation noch gar nicht zu denken. Das Crowd-Funding ist Teil einer ganzheitlichen Neustrukturierung der Unternehmensfinanzierung. Es erfüllt zwei Zwecke. Zum einen verbessert es durch seinen Nachrangcharakter die Finanzierungskennzahlen. Zum anderen ist es ein nicht zu unterschätzendes Instrument zur Kundenbindung. Die Privatpersonen, die in uns investieren, werden zu Markenbotschaftern. Wir kommen in einen viel intensiveren Dialog mit ihnen als bei jedem anderen Instrument.
Kurz vor dem Ernte-Desaster haben Sie auch Ihren Marken-Auftritt neu gestaltet. Was wollen Sie damit erreichen?
Wir erklären auf unseren Produkten, was wir konkret beispielsweise gegen
das Bienensterben machen. Dass wir CO2-neutral arbeiten, unsere Abwässer selber reinigen und mehr. Der neue Auftritt kam überwiegend gut an, mit Ausnahme von ein paar älteren Herrschaften, die es nicht mögen, wenn man sie auf der Verpackung mit „Du“ anspricht. Dass wir auf dem Etikett mit unseren Kunden kommunizieren und die Preiserhöhung dort erklären, machen wir auch, um möglichen Druck vom Händler zu nehmen. Wir sagen: Lieber Kunde, die Preiserhöhung ist unsere Entscheidung gewesen. Was der Handel am Ende daraus macht, liegt nicht in unserer Hand, aber er wurde letztlich durch uns zum Handeln gezwungen. Diese Offenheit und Transparenz kommt gut an.
Wie läuft es jetzt?
Wäre die Ernte ein Jahr früher so ausgefallen, hätten wir nicht überlebt. Aber der Absatz ist glücklicherweise durch die Erhöhung nicht eingebrochen. Trotzdem: Gerade als sich das Unternehmen erholen konnte, schlugen die Rohwarenpreise voll durch. Wie wir damit umgehen, ist einmalig. Ich hoffe, das wird belohnt.
Ebenfalls im Sommer 2017 kam der große „Saftschwindel“ auf Sie zu. Foodwatch beschuldigte Sie der Verbrauchertäuschung. Was lernt man aus einer solchen Erfahrung?
Das hat viel Substanz gekostet. Uns wurde unterstellt, den Kunden unseren Kirschnektar als Saft zu verkaufen, da die Bezeichnung „Nektar“ nur auf der Rückseite zu finden war. Generell finde ich konstruktive Kritik ja gut. Dass man sagt, das könnte falsch verstanden werden. Dass man aber gerade uns unterstellt, den Verbraucher bewusst zu täuschen und uns dann nicht mal die Chance einer Reaktion gibt, ist eine Sauerei. Ich versuche aber, die Leute immer herzlich zu behandeln, egal wie sie mich angehen. Mit Foodwatch entstand dann auch eine offene Kommunikation. Aber ab einem gewissen Punkt prallen dann doch unterschiedliche Ideologien aufeinander. Jedenfalls hatten wir hier in Lütgenrode einen sehr konstruktiven Termin. Was viele Menschen aber nicht so wahrnehmen ist, dass Foodwatch selbst einem enormen wirtschaftlichen Druck unterliegt und spannende Geschichten braucht.
Was ist aus der Sache geworden?
Wir haben selbst eine Umfrage gestartet. War unsere Auslobung des Begriffs „Nektar“ irreführend? Ist es okay, ein schönes, aufgeräumtes Vorderetikett zu haben und die Details dann auf der Rückseite? Das Ergebnis fiel sehr knapp aus, aber am Ende haben wir das Wort „Nektar“ und den Fruchtanteil auf die Vorderseite geholt, da die einen Kunden es sich wünschen und die meisten anderen nichts dagegen haben.
Um im kompetitiven Markt zu bestehen setzen Sie auch auf Lohnabfüllungen. Wie wichtig ist das Geschäft mittlerweile für Sie?
Umsatzmäßig sind Lohnabfüllung und Marke mittlerweile etwa gleich groß. Wir sind einer der größten Lohnabfüller im Bio-Bereich mit langjähriger Erfahrung und Kompetenz beim Einkauf. Wir machen Eigenmarken für beispielsweise Tegut und Hofgut. Da geht es um hochwertige Produkte, die zu uns und unserem Portfolio passen. Außerdem füllen wir Nischenprodukte wie Birken- oder Kokoswasser ab.
Eine Auffälligkeit ist die Premium- Range mit sortenreinen Direktsäften. Ein gutes Geschäft?
Ein Nischengeschäft. Wir verkaufen die Säfte ab 3,49 Euro je 0,7-Liter- Flasche. Das muss man schon erklären. Da braucht es den selbstständigen und engagierten Händler. Die Gestaltung, die wir selbst hier im Haus entworfen haben, erinnert ein wenig an Wein, was im Markt noch ein Problem ist. Unser Vorteil: Wir können dem Handel auch kleine Chargen liefern. Die Mindestabnahme ist 18 Flaschen.
Neuer Ärger droht Ihnen jetzt beim großen Thema Zucker. Der Fruchtsaft hat schon seit Jahren seine einstige Unschuld als gesundes Getränk verloren. Wie schätzen Sie die aktuelle Diskussion ein?
Saft ist ein Genussmittel und kann in einer ausgewogenen, gesunden Ernährung seine Rolle spielen. Es ist sinnvoll, eine Portion Obst am Tag durch Saft zu ersetzen. Alles andere ist Polemik. Heute gibt es Kunden, die sagen, sie könnten ohne schlechtes Gewissen keinen Saft mehr trinken. Da hört es dann auf. Aber zur Transparenz gehört auch, zu sagen, dass wir auch Zucker zusetzen. Beim Nektar beispielsweise. Das ist aber auch notwendig, denn ein 100 Prozentiger Maracujasaft ist völlig ungenießbar. Aber das verstehen schon einige der selbst ernannten Ernährungsberater nicht. Saft bringt viele positive Eigenschaften mit sich.
Es gibt aber Probleme, denen sich die Ernährungsindustrie früher oder später konstruktiv stellen muss. Was halten Sie von der Ampel, die jetzt wieder im Raum steht?
Ich bin ein großer Ampelgegner. Ich möchte den Menschen als mündiges Wesen betrachten. Ernährung ist so komplex, es gibt Tausend verschiedene Theorien dazu und jetzt wollen wir das in drei Farben packen? Viel wichtiger wäre es dafür zu sorgen, endlich eine wertfreie Bildung zu dem Thema in den Schulen zu garantieren.
Wie halten Sie es persönlich mit der Ernährung?
Ich lebe nach der Maxime „Ernähre dich ausgewogen und nimm nicht mehr Kalorien zu dir als du verbrennst“. Ich habe einen zwei Jahre alten Sohn, der seinen Saft mit Wasser verdünnt trinkt. Ich selbst habe mein ganzes Leben lang Saft getrunken.
Ein leidiges Thema in der Geschichte Ihres Unternehmens ist das Gebinde. Durch Ihre Abneigung zu PET haben Sie einen Trend verschlafen.
Im Zuge des so genannte „Dosenpfandes“ ist der Mehrweganteil bei Saft von 40 Prozent auf 6 Prozent eingebrochen. Viele haben damals gesagt: Saft wird niemals in der PET Flasche erfolgreich und wir haben auf Mehrweg geschworen. Das war ein strategischer Fehler.
Viel später als der Wettbewerb sind Sie nachgezogen. Jetzt steigen Sie überraschend wieder aus. Warum?
PET steht für ein reines Massengebinde, für billig, Aktion und Handelsmarke. Das passt nicht zu unserem Qualitäts-Anspruch. Auf der anderen Seite steht der ökologische Aspekt. Jeder Deutsche produziert jährlich 37,4 Kilogramm Plastikmüll. Die Meere verschmutzen immer stärker und Mensch und Tier werden immer mehr von Mikroplastik in der Nahrung und im Wasser belastet. Wir setzen auf Glas und den Karton als leichtes Gebinde ohne Bruchgefahr, das nicht nur ökologischer ist, es ist auch schonender für das Produkt.