Recht

Vorsicht mit Gesundheitswerbung

Gesundheitswerbung

„Aktiviert Abwehrkräfte“ oder „Mit hohem Gehalt an Omega-3-Fettsäuren“ sind Aufschriften, die auf Lebensmittelverpackungen zu lesen sind. Doch was ist an gesundheitsbezogenen Aussagen eigentlich dran?

Die Health-Claims-Verordnung (HCVO) trat am 1. Juli 2007 in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Kraft. Der Zweck der Health-Claims-Verordnung liegt insbesondere im Gesundheitsschutz. Eine Werbung mit gesundheits- und nährwertbezogenen Angaben ist nach der Verordnung prinzipiell nur zulässig, wenn die Angaben von der Europäischen Union in einem – von der HCVO – vorgegebenen Verfahren wissenschaftlich anerkannt wurden. Für Lebensmittel darf nach der HCVO nur mit gesundheits- oder nährwertbezogenen Angaben geworben werden, die ausdrücklich genehmigt wurden.

Irreführung bei Gesundheitswerbung
Um Verbraucher vor unlauterer Irreführung zu schützen, ist Gesundheitswerbung nur in engen Grenzen zulässig. Foto: michael hirschka_pixelio.de

Viele Lebensmittelhersteller bewerben ihre Produkte mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben. Für Verbraucher ist nicht immer leicht zu erkennen: Was bedeutet die Aussage überhaupt? Sind die Behauptungen übertrieben, oder beruhen sie auf anerkannten Studien? Diese und ähnliche Fragen beantwortet Mathis Breuer. Er ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Hoyng Rokh Monegier in Düsseldorf.

Mathis Breuer ist Experte für Lebensittelrecht und arbeitet in der Kanzlei Hoyng Rokh Mongier.

Können Sie bitte kurz auf die Geschichte der HCVO eingehen: Wann wurde die HCVO geschaffen und zu welchen Zweck?

Breuer: Seit dem 1. Juli 2007 regelt die „Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel“ (also: die HCVO) als erste EU-Verordnung die rechtskonforme Verwendung entsprechender Angaben. Nach der ersten Liste zulässiger nährwertbezogener Angaben im Anhang der HCVO folgte im Jahr 2012 eine sogenannte Gemeinschaftsliste mit 222 zulässigen spezifisch gesundheitsbezogenen Angaben. Ferner kommt die Verordnung auch bei Aussagen über die Reduzierung von Krankheitsrisiken oder mit Kinderbezug zur Anwendung.

Der Zweck der Verordnung liegt in der Schaffung eines EU-weit einheitlich strengen Verbraucherschutzniveaus. Es sollen nur solche Nährwert- und Gesundheitsversprechen verwendet werden dürfen, die den Verbraucher nicht in die Irre führen und deren Richtigkeit nachgewiesen ist. Die Verordnung kann insoweit auch als Antwort auf einen gewissen Wildwuchs im Bereich der Gesundheitswerbung für Lebensmittel verstanden werden. Verständlicherweise hatten Hersteller und Händler zunehmend versucht, den Wunsch der Verbraucher nach einem gesundheitsbewussten und aktiven Lebensstil und hoher Leistungsfähigkeit auch im Marketing für ihre Produkte aufzugreifen, dabei jedoch gelegentlich zu vollmundig agiert.

Gesunheitsbezogene Werbung
Die Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben, sogenannte Health Claims, ist durch die EU streng reglementiert. Bild: dreimirk30_pixelio.de

Was müssen Hersteller und Händler bezüglich der Heath Claims Verordnung wissen?

Die HCVO kommt immer dort zur Anwendung, wo in einer kommerziellen Mitteilung über bestimmte Lebensmittel über die Pflichtangaben zum Beispiel nach der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung hinaus schriftlich, mündlich oder durch Abbildungen zusätzliche gesundheits- oder nähwertbezogene Angaben gemacht werden, also Aussagen aufgestellt werden, die bei einem durchschnittlichen Verbraucher den Eindruck hervorrufen können, ein Lebensmittel weise mit Blick auf seine Zusammensetzung oder durch einen direkten oder jedenfalls mittelbaren Gesundheitsbezug besondere Eigenschaften auf.

Europaweit dürfen nährwertbezogene Angaben (wie „zuckerfrei“, „fettarm“, „hoher Proteingehalt“) dabei nur verwendet werden, wenn sie in der HCVO vorgesehen und die genau festgelegten Vorgaben erfüllt sind (zum Beispiel ist die Angabe „fettarm“ nur zulässig, wenn das Produkt weniger als 1,5 Gramm Fett pro 100 Gramm bzw. 100 Milliliter enthält). Gesundheitsbezogene Angaben, also solche Aussagen, die sich auf die ernährungsphysiologische Rolle eines Nährstoffes (zum Beispiel „Calcium wird für die Erhaltung normaler Knochen benötigt.“) oder gar die Verringerung eines Krankheitsrisikos beziehen, sowie solche, die Bezug zu der Entwicklung und Gesundheit von Kindern aufweisen, dürfen nur nach Zulassung und ausdrücklicher Aufnahme in die HCVO-Listen verwendet werden. Die Verwendung entsprechender „neuer“ eigener nährwert- oder gesundheitsbezogener Angaben ohne vorherige Aufnahme in das Regelwerk der HCVO stellt einen Rechtsverstoß dar. 

Darüber setzt eine Zulässigkeit der Angabe jeweils voraus, dass einige allgemeine Voraussetzungen und ggf. konkrete produktspezifische Bedingungen erfüllt sind. So muss die Angabe für das konkrete Produkt natürlich zutreffend, wissenschaftlich nachgewiesen und für den Verbraucher verständlich sein. Die Substanz, die zum Gegenstand der Angabe gemacht wird, muss in dem verzehrfertigen Produkt in relevanter und verwertbarer Menge und Form vorhanden sein bzw. gerade fehlen und die beworbene Wirkung muss durch den Verzehr einer vernünftigerweise anzunehmenden Menge des Lebensmittels erreicht werden können. Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben sollen zudem nicht zum übermäßigen Verzehr eines Lebensmittels ermutigen oder auch nur mittelbar zum Ausdruck bringen, dass eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung generell nicht die erforderlichen Mengen an Nährstoffen liefern kann. Bei gesundheitsbezogenen Angaben treten einige Pflichtangaben hinzu, die bei der Kennzeichnung und Bewerbung ebenfalls zwingend zu beachten sind.

Die HCVO schreibt zudem vor, dass bei Verwendung von nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angaben eine Nährwertkennzeichnung anzubringen ist, die Informationen über den Brennwert und den Gehalt an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz liefert. In naher Zukunft sollen zudem anhand von Nährwertprofilen Grenzen festgelegt werden, ab denen nährwert- bzw. gesundheitsbezogene Angaben generell nicht mehr verwendet werden dürfen. Schon jetzt besteht ein Verbot für gesundheitsbezogene Angaben für alkoholische Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent.

Verbraucherschutz Gesundheitswerbung
Um Verbraucher jedoch vor unlauterer Irreführung zu schützen, ist Gesundheitswerbung nur in engen Grenzen zulässig. Bild: Mario Heinemann_pixelio.de

Warum ist die HCVO so wichtig?

Die Wichtigkeit ergibt sich schon daraus, dass die HCVO potenziell jeden betrifft, der innerhalb der EU Lebens- oder Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr bringt, kennzeichnet oder bewirbt, also Hersteller und Händler gleichermaßen.

Mit der HCVO ergibt sich eine Vielzahl regulatorischer Anforderungen. Gerade auch angesichts der weiten Auslegung des Anwendungsbereichs der HCVO muss sich jeder Marktteilnehmer, der auf eine positive Zusammensetzung oder auch nur ganz allgemeine gesundheitlich-positive Wirkungen seines Produkts hinweisen möchte, diesen Anforderungen bewusst sein und sehr genau prüfen, ob, und wenn ja, wie genau eine Angabe tatsächlich rechtskonform verwendet werden kann. 

Wer überwacht die Einhaltung?

Hier sind zwei verschiedene Ebenen voneinander zu unterscheiden:

Zunächst obliegt die Überwachung und Durchsetzung des Lebensmittelrechts den EU-Mitgliedsstaaten, so dass behördliche Kontrollen und andere Aufsichtsmaßnahmen möglich sind. Grundsätzlich können Verstöße gegen die HCVO sogar einen Straftatbestand darstellen.

Praktisch bedeutsamer ist aber der Umstand, dass ein Verstoß gegen die HCVO zugleich ein unlauteres Verhalten nach dem Wettbewerbsrecht darstellt, das durch jeden Mitbewerber und bestimmte Verbraucher- sowie Wettbewerbsverbände rechtlich verfolgt werden kann. Den Mitbewerbern und Verbänden kann gegen einen Wettbewerbsverstoß ein Unterlassungsanspruch gegen den Hersteller und/oder Händler bestehen, der eine nach den Vorgaben der HCVO unzulässige gesundheits- oder nährwertbezogene Angaben verwendet. Die tatsächliche Rechtsdurchsetzung erfolgt in der Regel zunächst im Wege der Abmahnung und, für den Fall, dass eine geforderte Unterlassungserklärung nicht abgegeben wird, sodann mit der Hilfe von Gerichten, häufig im Wege der einstweiligen Verfügung.

Was sind die Folgen für Verstöße? Wie teuer kann es werden?

Sieht sich ein Hersteller oder Händler mit einer begründeten Inanspruchnahme durch einen Verband oder Mitbewerber aufgrund eines HCVO-Verstoßes konfrontiert, kann dies gravierende wirtschaftliche Konsequenzen haben.

Relevant ist neben den entstehenden Anwalts- und ggf. Gerichtskosten, welche zusammen sicher mindestens im mittleren vierstelligen Bereich zu erwarten sind, vor allem, dass bei einem auf der Produktverpackung festgestellten Verstoß bei Abgabe einer Unterlassungserklärung oder nach Zustellung einer gerichtlichen einstweiligen Verfügung unmittelbar ein faktisches Vertriebsverbot für die so gekennzeichnete Ware besteht. Nicht rechtskonform gekennzeichnete Produkt dürfen nicht ausgeliefert und müssen vom Hersteller unter Umständen sogar aus dem Handel zurückgerufen werden, bei verderblicher Ware wird eine (ebenfalls kostenträchtige) Umverpackung der Ware kaum möglich sein. Sieht man sich mit einer gerechtfertigten Abmahnung konfrontiert, sollte daher zur Schadensbegrenzung vor der möglichen Abgabe einer Unterlassungserklärung versucht werden, zumindest eine Abverkaufs- und Umstellungsfrist auszuhandeln.

Gesundheitswerbung
Wirbt der Händler mit Gesundheits-Angaben, ist dies nur zulässig, wenn die Angaben nach einem wissenschaftlichen Verfahren durch die Europäische Behörde für Lebensmittelrecht (EFSA) anerkannt wurden. Bild: Peter Wetzel_pixelio.d

Können Sie bitte auf aktuelle Fälle eingehen?

Unvermindert aktuell und praxisrelevant ist vor allem der strenge Umgang der Gerichte mit unspezifischen Angaben, die bloße Vorteile eines Nährstoffs oder des Lebensmittels für das allgemeine gesundheitsbezogene Wohlbefinden benennen. Einigen im Lebensmittelmarketing durchaus üblichen Angaben (zum Beispiel „bekömmlich“ für Kaffee oder Bier, „Detox“ für Kräutertee, „wohltuend“ für einen Kräuterlikör) wurde durch die Rechtsprechung ein für die Anwendung der HCVO und deren Anforderungen bereits ausreichender mittelbarer Gesundheitsbezug attestiert, die Verwendung der entsprechenden Formulierungen auf dem konkreten Produkt bzw. in dessen Bewerbung wurde in der Folge untersagt. Ganz unlängst hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe in diesem Kontext etwa auch die Werbeangabe „Zur Regeneration von Körper und Seele“ für ein Mineralwasser als unzulässige gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der HCVO angesehen.

Ebenfalls absolut aktuell und vor Kurzem vom OLG Hamburg erneut bestätigt: Die derzeit besonders häufig verwendete Angabe „Low Carb“ wird als nährwertbezogene Angabe im Sinne der HCVO angesehen, ist allerdings (bislang) nicht im Anhang zur HCVO aufgeführt, die Verwendung daher zwingend unzulässig.

Welche Fallstricke bietet die HCVO?

In dieser weiten Auslegung des Anwendungsbereichs der HCVO liegt sicher der bedeutendste Fallstrick für Hersteller und Händler. Während bei der Verwendung von spezifischen Gesundheitsversprechen meist bereits ein gewisses rechtliches Problembewusstsein vorhanden ist, ist daneben auch bereits die gleichermaßen schwierige wie schwammige Abgrenzung zwischen bloßen (nicht unter die HCVO fallenden) Aussagen zum allgemeinen Wohlbefinden (wie Gute-Laune-Drops) und einer für die Anwendung der HCVO bereits ausreichenden Angabe mit unspezifischem Bezug zur Gesundheit im Allgemeinen im Blick zu behalten und diesbezügliche Vorsicht geboten. Der insofern maßgebliche Gesundheitsbegriff der HCVO erfasst nach dem Bundesgerichtshof zum Beispiel auch bereits das seelische Gleichgewicht.

Welche Chancen bietet die HCVO?

Auch wenn in Einzelfragen schwierige Abgrenzungen zu treffen sind, bietet die HCVO grundsätzlich die wünschenswerte Rechtssicherheit: Innerhalb der EU bestehen gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle, ein im Einklang mit der HCVO gekennzeichnetes Produkt kann in Bezug auf die nährwert- und gesundheitsbezogenen europaweit unbeanstandet vertrieben werden. Für jeden Marktteilnehmer besteht zudem die Möglichkeit, selbst die Zulassung bislang nicht geprüfter und daher noch nicht in die HCVO-Listen aufgenommener Angaben durch ein behördliches Verfahren zu beantragen und so den Spielraum des eigenen Produktmarketings zu erweitern.