Könnte eine Fleischsteuer helfen, Klimaschutz und Tierwohl zu fördern? Nein, sagt der Steuerberater Dr. Henrik Sundheimer und erklärt im Interview mit Regalplatz warum.
LP: Angenommen, ein Kotelett kostet 6,90 Euro pro Kilogramm. Wie wirkt es sich auf den Preis aus, wenn die Mehrwertsteuer wie vom Bundesumweltamt gefordert auf 19 Prozent angehoben wird? Henrik Sundheimer: Wenn sich der Kilopreis inklusive sieben Prozent Mehrwertsteuer (auch Umsatzsteuer genannt) versteht, wird er mit 19 Prozent Umsatzsteuer rein rechnerisch 7,68 Euro betragen.
Was passiert, wenn der Konsument nicht bereit ist, diese Summe zu zahlen? Es könnte passieren, dass sich der Brutto-Kilopreis mittelfristig auch bei einer Umsatzsteuererhöhung auf Fleischprodukte nicht ändert. Eine Steuererhöhung birgt damit die Gefahr, dass im Ergebnis weniger Kaufpreis bei Erzeugern sowie Groß- und Einzelhändlern verbleibt, und vermehrt billig produziertes Fleisch aus dem Ausland die hiesigen Produkte verdrängt. So würde genau das Gegenteil von dem angestrebten Ziel des Tierwohls erreicht.
Eine Lösung könnte sein, Bio-Fleisch weniger zu besteuern als konventionelles Fleisch? Theoretisch wäre eine national initiierte differenzierte Förderung nach den unterschiedlichen Erzeugungsarten der Fleischprodukte möglich, die praktische Umsetzung geeigneter Richtlinien ist erfahrungsgemäß jedoch oft schwierig und beihilferechtlich bedenklich. Nach meiner Auffassung würde eine solche Förderung daher nur auf EU-Ebene Sinn machen.
Wie viel Geld würde die Fleischsteuer also tatsächlich einbringen? Eine sichere Prognose, wie stark sich das Steueraufkommen durch die Umsatzsteuererhöhung auf Fleischprodukte erhöht ist meiner Meinung nach zum jetzigen Zeitpunkt schwer möglich, da nicht absehbar ist, wie sich Bruttopreise und Fleischkonsum entwickeln werden. Die Spanne der Schätzungen reicht hier von circa drei bis sechs Milliarden Euro.
Das sind beachtliche Summen, die im Bereich Tierhaltung sicher einiges bewirken könnten? Nein, die teilweise in den Medien geäußerte Vorstellung, dass die „Fleischsteuer“ speziell Mittel für den Tierschutz oder die Unterstützung von Landwirten generieren kann, ist falsch. Derartige Bestrebungen sind weder realisierbar noch rechtlich vertretbar, unabhängig davon ob dies über eine Erhöhung des Umsatzsteuersatzes oder eine neue Steuer eigener Art geschehen soll.
Die Fleischsteuer reduziert den Fleischkonsum also nicht? Richtig. Sie birgt einerseits das Risiko, dass sich die Steuererhöhung vor allen Dingen bei höherpreisigen Bio-Produkten nicht auf den Endverbraucher abwälzen lässt und andererseits das Risiko, dass die Endverbraucher in noch stärkerem Maße auf Billigprodukte zurückgreifen, als sie es heute schon tun. Damit würde die „Fleischsteuer“ im Ergebnis den von den Befürwortern angeführten Lenkungszweck verfehlen und somit auf Kosten der hiesigen Erzeugerbetriebe sowie Groß- und Einzelhändler mehr schaden als nützen. Gestärkt würde in diesem Fall allenfalls die Fleischerzeugung zu niedrigeren Standards im Ausland.
Was wäre sinnvoller? Eine Förderung des Tierwohls bedarf nach meiner Auffassung einer Subventionierung und strengen Überwachung tierwohlfördernder Erzeugungsprozesse nicht nur auf nationaler Ebene, sondern zumindest im gesamteuropäischen Kontext. Eine Reduzierung des Fleischkonsums kann nach meiner Auffassung nur durch eine wissenschaftlich fundierte Aufklärung hinsichtlich der aus dem hohen Fleischkonsum resultierenden Folgen erreicht werden.
Der reduzierte Umsatzsteuersatz von 7% hat vor allem sozialpolitische Gründe. Warum gilt die Ermäßigung nicht für alle Lebensmittel? Sozialpolitisch gewollt ist, dass insbesondere Grundnahrungsmittel gefördert werden, um sie allen zugänglich zu machen. Nicht begünstigt werden Nahrungsmittel, die für die Grundversorgung als nicht erforderlich angesehen werden.
Es stimmt jedoch, dass die Steuersätze die sozialpolitischen Gründe zum Teil nur schwer erkennen lassen. So beträgt der Steuersatz für Babynahrung beispielsweise 19 Prozent. Eine weitere Besonderheit gibt es auch bei der Abgabe von verzehrfertig zubereiteten Speisen.
Wie sieht diese Besonderheit aus? Hier kann entweder mit einem Steuersatz von sieben Prozent oder als sogenannte Restaurationsleistung mit 19 Prozent besteuert werden. Diese Unterscheidung ergibt sich daraus, dass Restaurationsleistungen neben der reinen Abgabe von Speisen auch Dienstleistungen beinhalten können. Allerdings führt nicht jedes Dienstleistungselement gleich zu einer Restaurationsleistung. Die Abgrenzung sollte sorgfältig vorgenommen werden.
Wenn der Konsument beispielsweise an der heißen Theke eine Frikadelle kauft, fällt dann die Restaurationsleistung an? Das ist nicht so einfach, zu beantworten. Werden zusätzlich zu der heißen Theke Sitzgelegenheiten zur Verfügung gestellt fallen beispielsweise 19 Prozent Umsatzsteuer an. Sind bei einer heißen Theke, so wie es meist der Fall ist, keine Sitz- und Stehgelegenheiten oder aber nur Stehgelegenheiten vorhanden, überwiegt der Gedanke der reinen Essenslieferung und es fallen nur sieben Prozent Umsatzsteuer an. Sind sowohl Sitz- als auch Stehgelegenheiten vorhanden sind die Umsätze bspw. nach dem Verhältnis von Sitz- und Stehgelegenheiten aufzuteilen. Deshalb ist es besonders wichtig, die Abgrenzung sorgfältig vorzunehmen. Denn wird durch eine Betriebsprüfung festgestellt, dass fälschlicherweise der niedrigere Steuersatz angewendet wurde, kann es unter Umständen zu hohen Steuer- und Zinsnachzahlungen kommen. Solche systematischen Fehler ziehen sich oft über mehrere Jahre und haben dann einen erheblichen finanziellen Effekt.
Könnte eine Fleischsteuer helfen, Klimaschutz und Tierwohl zu fördern? Nein, sagt der Steuerberater Dr. Henrik Sundheimer und erklärt im Interview mit Regalplatz warum.
LP: Angenommen, ein Kotelett kostet 6,90 Euro pro Kilogramm. Wie wirkt es sich auf den Preis aus, wenn die Mehrwertsteuer wie vom Bundesumweltamt gefordert auf 19 Prozent angehoben wird?
Henrik Sundheimer: Wenn sich der Kilopreis inklusive sieben Prozent Mehrwertsteuer (auch Umsatzsteuer genannt) versteht, wird er mit 19 Prozent Umsatzsteuer rein rechnerisch 7,68 Euro betragen.
Was passiert, wenn der Konsument nicht bereit ist, diese Summe zu zahlen?
Es könnte passieren, dass sich der Brutto-Kilopreis mittelfristig auch bei einer Umsatzsteuererhöhung auf Fleischprodukte nicht ändert. Eine Steuererhöhung birgt damit die Gefahr, dass im Ergebnis weniger Kaufpreis bei Erzeugern sowie Groß- und Einzelhändlern verbleibt, und vermehrt billig produziertes Fleisch aus dem Ausland die hiesigen Produkte verdrängt. So würde genau das Gegenteil von dem angestrebten Ziel des Tierwohls erreicht.
Eine Lösung könnte sein, Bio-Fleisch weniger zu besteuern als konventionelles Fleisch?
Theoretisch wäre eine national initiierte differenzierte Förderung nach den unterschiedlichen Erzeugungsarten der Fleischprodukte möglich, die praktische Umsetzung geeigneter Richtlinien ist erfahrungsgemäß jedoch oft schwierig und beihilferechtlich bedenklich. Nach meiner Auffassung würde eine solche Förderung daher nur auf EU-Ebene Sinn machen.
Wie viel Geld würde die Fleischsteuer also tatsächlich einbringen?
Eine sichere Prognose, wie stark sich das Steueraufkommen durch die Umsatzsteuererhöhung auf Fleischprodukte erhöht ist meiner Meinung nach zum jetzigen Zeitpunkt schwer möglich, da nicht absehbar ist, wie sich Bruttopreise und Fleischkonsum entwickeln werden. Die Spanne der Schätzungen reicht hier von circa drei bis sechs Milliarden Euro.
Das sind beachtliche Summen, die im Bereich Tierhaltung sicher einiges bewirken könnten?
Nein, die teilweise in den Medien geäußerte Vorstellung, dass die „Fleischsteuer“ speziell Mittel für den Tierschutz oder die Unterstützung von Landwirten generieren kann, ist falsch. Derartige Bestrebungen sind weder realisierbar noch rechtlich vertretbar, unabhängig davon ob dies über eine Erhöhung des Umsatzsteuersatzes oder eine neue Steuer eigener Art geschehen soll.
Die Fleischsteuer reduziert den Fleischkonsum also nicht?
Richtig. Sie birgt einerseits das Risiko, dass sich die Steuererhöhung vor allen Dingen bei höherpreisigen Bio-Produkten nicht auf den Endverbraucher abwälzen lässt und andererseits das Risiko, dass die Endverbraucher in noch stärkerem Maße auf Billigprodukte zurückgreifen, als sie es heute schon tun. Damit würde die „Fleischsteuer“ im Ergebnis den von den Befürwortern angeführten Lenkungszweck verfehlen und somit auf Kosten der hiesigen Erzeugerbetriebe sowie Groß- und Einzelhändler mehr schaden als nützen. Gestärkt würde in diesem Fall allenfalls die Fleischerzeugung zu niedrigeren Standards im Ausland.
Was wäre sinnvoller?
Eine Förderung des Tierwohls bedarf nach meiner Auffassung einer Subventionierung und strengen Überwachung tierwohlfördernder Erzeugungsprozesse nicht nur auf nationaler Ebene, sondern zumindest im gesamteuropäischen Kontext. Eine Reduzierung des Fleischkonsums kann nach meiner Auffassung nur durch eine wissenschaftlich fundierte Aufklärung hinsichtlich der aus dem hohen Fleischkonsum resultierenden Folgen erreicht werden.
Der reduzierte Umsatzsteuersatz von 7% hat vor allem sozialpolitische Gründe. Warum gilt die Ermäßigung nicht für alle Lebensmittel?
Sozialpolitisch gewollt ist, dass insbesondere Grundnahrungsmittel gefördert werden, um sie allen zugänglich zu machen. Nicht begünstigt werden Nahrungsmittel, die für die Grundversorgung als nicht erforderlich angesehen werden.
Es stimmt jedoch, dass die Steuersätze die sozialpolitischen Gründe zum Teil nur schwer erkennen lassen. So beträgt der Steuersatz für Babynahrung beispielsweise 19 Prozent. Eine weitere Besonderheit gibt es auch bei der Abgabe von verzehrfertig zubereiteten Speisen.
Wie sieht diese Besonderheit aus?
Hier kann entweder mit einem Steuersatz von sieben Prozent oder als sogenannte Restaurationsleistung mit 19 Prozent besteuert werden. Diese Unterscheidung ergibt sich daraus, dass Restaurationsleistungen neben der reinen Abgabe von Speisen auch Dienstleistungen beinhalten können. Allerdings führt nicht jedes Dienstleistungselement gleich zu einer Restaurationsleistung. Die Abgrenzung sollte sorgfältig vorgenommen werden.
Wenn der Konsument beispielsweise an der heißen Theke eine Frikadelle kauft, fällt dann die Restaurationsleistung an?
Das ist nicht so einfach, zu beantworten. Werden zusätzlich zu der heißen Theke Sitzgelegenheiten zur Verfügung gestellt fallen beispielsweise 19 Prozent Umsatzsteuer an. Sind bei einer heißen Theke, so wie es meist der Fall ist, keine Sitz- und Stehgelegenheiten oder aber nur Stehgelegenheiten vorhanden, überwiegt der Gedanke der reinen Essenslieferung und es fallen nur sieben Prozent Umsatzsteuer an. Sind sowohl Sitz- als auch Stehgelegenheiten vorhanden sind die Umsätze bspw. nach dem Verhältnis von Sitz- und Stehgelegenheiten aufzuteilen. Deshalb ist es besonders wichtig, die Abgrenzung sorgfältig vorzunehmen. Denn wird durch eine Betriebsprüfung festgestellt, dass fälschlicherweise der niedrigere Steuersatz angewendet wurde, kann es unter Umständen zu hohen Steuer- und Zinsnachzahlungen kommen. Solche systematischen Fehler ziehen sich oft über mehrere Jahre und haben dann einen erheblichen finanziellen Effekt.